Kaktus zum Valentinstag
Bad voller Kakerlaken lieber sein als Haare in der Duschwanne. Kakerlaken stören mich nicht. Wie damals in Sri Lanka, als ich siebzehn war und in einer Dusche die ganzen Kakerlaken geärgert und gejagt habe, weil die so schön knusprig killerig waren. All das schießt mir gerade durch den Kopf.
Der Tanz auf dem Vulkan
Die Sterne funkeln. Eine frische Brise weht. Ein seltsames Knacken und Knistern hallt durch die dunkle Nacht. Eigenartige Kokelgerüche liegen in der Luft. Ein Abgrund, es klirrt und kracht überall leise vor sich hin. In der Schlucht schlängelt sich ein gefrierender Fluss. Ein Netz aus roten Rissen, Ritzen und Flächen durchzieht seine scharfkantige Oberfläche.
Stetig schiebt sich die frische Kruste über die Kante in den Abgrund. Dort bricht sie auf. Eine rotglühende Masse tritt hervor, wie Blut, das gleich wieder gerinnt. Krachend kullern die frisch geronnenen, zähflüssigen, glühenden Gesteinsbrocken über die Kante in die Tiefe. Ein Lavafall! Kaskadenartig fließt der Glutfluss ins Calanna-Tal!
Das ganze Tal unter uns läuft voll. Die breiartigen, verkrusteten Massen schieben sich in-, über-, untereinander und in Zeitlupe quirlartig durcheinander. Eine Art chaotisches Gurgeln. Der Talkessel wird zur Hölle. Das Werden und Vergehen der Erde. Am Anfang ist das Feuer.
Es ist Ostern 1992. Mein Gnubbelchen und ich erleben die vulkanische, feurige Geburt neuer Erde. Wir stehen dort, wo das Vergehen einer Landschaft zugunsten des Werdens einer neuen stattfindet. Wo die Berge die Landschaft zerstören und zugleich aufbauen. Wir sind im Gipfelgebiet des Ätnas und schauen auf die unter uns talwärts fließenden Lavaströme.
»Erbrochenes der Erde« nennt mein Gnubbelchen die ganzen erstarrten Lavaflüsse, die hier überall die Landschaft bestimmen. Da uns im eisig schneidenden Wind kalt ist, tanzen wir zusammen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Vulkan! Bei Rumba, Jive und Cha-Cha-Cha halten wir uns warm.
Ein Traum ist schneller wahr geworden, als ich zu hoffen wagte. Es ist unsere allererste gemeinsame Reise. Und dann gleich so eine spannende Vulkantour! Wir erleben eine geologisch-menschliche Konstellation, die so nie wieder vorhanden sein wird.
Als ich aus den Nachrichten erfahre, dass der Ätna ausgebrochen ist, entschließe ich mich kurzerhand, so schnell wie möglich dorthin zu fahren. Da schaffe ich es sogar, mich zu überwinden, ganz spontan zu sein. Und Martina kommt mit. Herrlich!
Wenige Tage später sitzen wir zusammen im Zug. Auf der Schiene nach Süden. Von Kiel via Hamburg, Bremen, Köln, dann am Rhein entlang nach Frankfurt. Dort blühen schon die ersten Bäume. Unser Frühling komme!
Via Würzburg, Nürnberg geht es weiter nach München. Dann die Alpenquerung im Dunkeln, dennoch sind die jetzt noch schneebedeckten Berge in der klaren Nacht erkennbar. Am nächsten Tag pausenlos dem Ziel entgegen, Bologna, Florenz und via Rom bis nach Neapel. Dort ist leider erst einmal Schluss, da der Anschlusszug erst am Abend geht. Oh, wie gerne fahre ich nur des Fahrens wegen.
In Neapel besteigen wir einen kleinen Zug mit dem interessanten Namen »Circumvesuviana«, der uns nach Pompeji am Vulkan Vesuv bringt. Auf dem Weg dahin sehen wir viele dunkelgrünblättrige Obstbäume, die voller gelber und orangener Punkte hängen: reife Zitronen und reife Orangen! Und überall immer wieder Palmen!
Nach dem Besuch Pompejis geht es gleich weiter. Eine tunnelreiche Strecke. In jedem Tunnel starre ich auf die schrägen weißen Striche, die an den Tunnelwänden während der Fahrt auf- und abwabern. Da fragt mich Martina auf einmal etwas sehr Merkwürdiges:
»Was ist denn mit dir los? Dein Mund ist voller Salzränder, und deine Zunge, jetzt ist es weg, aber eben kuckte die ganz merkwürdig schräg raus! Du hast eben völlig behindert ausgesehen. Ich bin irritiert. Was war das?«
Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet. Aber sie stellt fest, dass ich einen sehr merkwürdigen Gesichtsausdruck habe, wenn ich reise, wenn Objekte am Zugfenster vorbeiziehen, die mich glücken. Und immer wenn dieser Zustand eintritt, bin ich nicht ansprechbar, in mir versunken. Martina nennt diesen eigenartigen Blick daher zukünftig den »Reiseblick«.
Am nächsten Tag erreichen wir das Zielgebiet, wir finden eine nette Pension in Taormina, mit dem Postkartenblick auf das gesamte Ätna-Massiv. In der Nacht sehen wir schon von Weitem, wie die rotglühenden Lavaströme in der Ferne die Hänge des Ätnas herunterfließen.
Weitere Kostenlose Bücher