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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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Dort ist auf einer Folie ein dünnes rotes Kreuz zu erkennen.
    »Und, was ist das? Was soll das heißen?«, will ich wissen.
    »Peter – ich bin schwanger!«
    Diese Mitteilung überspült mich wie ein Tsunami, nachdem vor wenigen Tagen das Erdbeben stattfand.
    »Und haben die dir auch gesagt, was für ein Schwanger?«
    »Was meinst du damit?«
    »Na, ob jungig oder mädchig?«
    »Das kann man doch jetzt noch nicht feststellen! – Freust du dich denn gar nicht?«
    »Nein, darüber kann ich mich nicht freuen! Nicht jetzt. Nicht hier. Ich bin hier immer noch mit der Doktorarbeit beschäftigt. Davon kann man keine Familie ernähren. Und wenn das vorbei ist, dachte ich, könnten wir noch mal richtig reisen, zum Beispiel doch noch nach Saint Lucia oder auch endlich mal nach Namibia, wo ich auch schon lange mal hinwollte, bevor das Berufsleben richtig losgeht. Verstehst du?! Ich bin nicht präpariert! Da ist noch kein Job in Sicht, nichts. Ich kann jetzt noch keine Kinder gebrauchen!«
    »Ich habe mir das auch anders vorgestellt. Jetzt ist es nun mal passiert. Und du wolltest doch immer Kinder!«
    »Ja, aber nicht jetzt!«
    »Und, was soll ich jetzt machen? Abtreiben?«
    Stille. Ganz große Stille. Als es mir ganz langsam gelingt, die Situation zu akzeptieren, gelingt es mir auch, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen:
    »Okay, abtreiben brauchen wir es nicht, wir werden es irgendwie hinkriegen, dass ich von der Startbahn abgehoben habe, bis es kommt. Aber dann wird es jetzt Zeit, voll Schub zu geben.«
    Wieder Stille, bis ich angesichts der immer klarer werdenden Tragweite des Ereignisses energisch aufbrausend fortsetze:
    »Es sind dann nur noch ganze neun Monate bis Startbahnende! Und ohne ordentlich verdientes Geld kein Kind. Und von Sozialhilfe wird das nicht bezahlt. Basta! Und noch mal basta! Entweder packen wir es oder es crasht richtig mit voller Geschwindigkeit am Ende der Startbahn!«
    Die Mau fängt an zu regnen.
    Ich bin schwer getroffen. Ein kritischer Moment in meinem Leben. Alles, was ich mir für die nächsten Jahre ausgedacht habe – dahin. Plan kaputt! Starre. Eiskalte Starre. Gespenstische Starre.
    Die Mau regnet sich ein. Und ich kämpfe selbst wie ein Schiff in schwerer See. Und bräuchte Trost, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Vielleicht braucht sie ja auch Trost, aber dafür bin ich der Falsche, das weiß sie, das hat sie früher mal in ihr Tagebuch geschrieben. Trösten könne ich ja sowieso nicht.
    Meine Doktorarbeit bleibt liegen. In Gedanken bin ich nur noch mit den Themen Kind und Abtreibung beschäftigt. Ich fühle mich wie ein voller Arbeitsspeicher. Ein Kind abtreiben, das gewollt, aber einfach nur zum zu frühen Zeitpunkt kommt, nein, das kommt nicht in Frage. Das Gewissen macht da nicht mit. Das steht schon mal als Beschluss meines inneren Parlamentes fest.
    Die Fraktion der Intuition hat sich da klar gegen die rationale Fraktion durchgesetzt. Letztere schmollt in mir. Tagelang geht gar nichts mehr weiter bei meiner Doktorarbeit. Ich bin völlig blockiert. Der Absturz, der Untergang, die Alles-ist-mir-doch-egal-Stimmung droht, die immer dann kommt, wenn sich Unbeherrschbares abzeichnet.
    Mein Plan des Lebens sieht vor, zwei Kinder zu bekommen, allerhöchstens drei. Und das erste dieser Kinder hat sich nun also angekündigt. Viel zu früh. Und der »Eiertanz« um die Dissertation ist noch nicht ausgestanden.
    Ich beschließe, meinem Doktorvater von der Situation zu erzählen, um zu erfahren, wie realistisch es ist, deutlich vor dem errechenbaren Geburtstermin meine Doktorandenzeit erfolgreich abzuschließen. Er meint, das sei gar kein Problem, nach dem Stand der Arbeit zu urteilen, würde sie wohl im Sommer abgabereif sein.
    Die schweren, tief hängenden Gewitterwolken hellen sich ganz langsam wieder auf. Mit starkem Schlingern kann ich mich auf den unerwarteten, engen Serpentinen meiner Lebensstraße halten, ohne zu verunfallen. Glück gehabt. Das Kind kann, darf und soll kommen. Ein neuer Plan kommt auch!
    Es dauert nicht lange, da kommt die Mau wieder mit einer Neuigkeit vom Frauenarzt:
    »Schau mal, es ist jetzt schon mehrere Zentimeter lang!« Die Mau zeigt mir dabei so ein schwarz-weißes Scheibenwischerbild mit einem grisseligen, dunklen Ei darauf. Das muss es sein! Das neue Leben.
    Drei Monate später bin ich mit meiner Dissertation endlich fertig. In Gedenken an das, was mich aus meiner geheimnisvollen, bis heute unverstandenen Isolation herausgeholt hat,

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