Kaktus zum Valentinstag
gehört die Seite drei meiner Arbeit der Mau und meinen Papamamas: »Meiner Frau und meinen Eltern zugeeignet.«
Am 20. Juli 1994 ist endlich der Tag X. Der nach dem Abitur und der Hochzeit wichtigste Meilenstein meines bisherigen Lebens. Der Tag der Doktorung. Um genau 15:28 Uhr öffnet sich die Tür vom Senatssitzungssaal der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Studenten setzen mir einen Doktorhut auf, den sie gebastelt haben, mit einem ausbrechenden Schokoladenvulkan obendrauf.
Ich habe mit meinen Untersuchungen über die globale Vulkanverteilung und über die geophysikalischen Aspekte des Vulkanismus von Hawaii meine Dissertation geschrieben, die Doktorprüfungen in Astronomie und Geologie bestanden. Meine Dissertation ist angenommen.
Bei herrlichstem Sommerwetter gibt es eine kleine Doktorfeier auf dem Rasen des Instituts für Geophysik, zusammen mit Monica aus Brasilien, die ebenfalls mit mir soeben gedoktort wurde. Am Abend besuchen Martina und ich noch die Kieler Sternwarte. Dort beobachten wir kurz zusammen mit anderen Astronomiefreaks den Absturz des Kometen Shoemaker-Levy in den Planeten Jupiter. Welch ein Abschluss meines universitären Daseins! Die Grenze zwischen Studium und Beruf, sie wird nun überquert.
Doch das erneute »Welt ich komme!« bleibt aus, denn zum einen bin ich schon mitten drin und zum anderen ist eine Stelle nicht in Sicht. Bewerbungen müssen erst noch geschrieben werden. Bis ich einen richtigen Job haben werde, wird noch einige Zeit vergehen. »Du musst einfach dran glauben!«, fordere ich mich zum positiven Denken auf. Fortan bin ich Dr. Peter Schmidt; Dr. rer. nat., um genauer zu sein.
Es ist bereits der 6. August, als Martina eine Wickelkommode gekauft hat. Neben ihrem Bauch ein deutliches Zeichen des kommenden Kindes. Ein Junge soll es werden, so der Frauenarzt. Da nach wie vor keine Stelle ad hoc in Sicht ist und allgemein noch überall Sommerpause zu herrschen scheint, entscheide ich für uns, dass wir noch eine letzte Reise vor der Geburt machen.
Wandern und Fliegen ist mit dem immer dicker werdenden Bauch ja nicht mehr so gut möglich, aber Autofahren, das kann man doch, denke ich. Es geht daher weder nach Saint Lucia noch nach Namibia, aber dafür »all the way to the top« zum Nordkap, um weitere Straßen in Nordeuropa einzusammeln.
Nach unserer Rückkehr richtet Martina liebevoll einen Stubenwagen her, den wir von ihrer Schwester bekommen haben. Der steht nun in unserem Schlafzimmer. Leer. Noch leer. Ich lag auch mal in so einem Ding. Mit einem faltenflatternden Zelthimmel darüber. Und Wänden, die wogten und knisterten. Die Menschen glauben mir immer nicht, dass ich mich daran erinnern kann. »Junge, da warst du noch soooooo klein, das kannst du gar nicht mehr wissen!«, heißt es oft, wenn ich Dinge erzähle, die sich zugetragen haben oder die ich wahrgenommen habe, als ich noch sehr klein war. Ich weiß, was ich erlebt habe. Doch ich kann niemanden zwingen zu glauben, was ich weiß.
Anfang Dezember erhalte ich endlich die Zusage zu einer befristeten Forscherstelle als Geophysiker. Das rettende Ufer. Geld für die drohende Familie. Nun ist es keine Bedrohung mehr. Jetzt kann und darf das Kind kommen. Das Signal steht auf Grün. Endlich abgehoben, so gerade eben vor dem Ende der Startbahn!
Die Landung des ersten Ra
Doch bevor ich die Stelle in Hannover antrete, wollen wir noch die Wohnung in Kiel verlassen und nach Südniedersachsen ziehen, fast nach Hause. Damit ich beim Start ins Berufsleben nicht noch mit der störenden Wohnungssuche belastet bin. Die Sache mit dem Kind ist schon anstrengend genug.
Monatelang bin ich auf der Stelle getreten, zeigte sich auf der Lebensstraße nur Einöde. Dann kommen die Berge. Und die Kurven. Und die Städte: Umzug, erste Stelle, Kind, alles kommt wieder mal auf einmal.
Martinas Stelle beim Zahnarzt ruht aufgrund der Schwangerschaft seit geraumer Zeit. Sie wird dort früher oder später kündigen, um natürlich mit mir in die Gegend von Hannover zu ziehen. Auch ihr zwischenzeitlich aufgenommenes Germanistik-Studium, das sie nebenbei gemacht hat, wird damit erst einmal beendet sein.
Wir beschließen somit auch, dass unser Kind nicht mehr in Kiel zur Welt kommen soll, sondern dass wir uns zwischenzeitlich in Andorra State einquartieren. So packen wir alles, was wir reinkriegen können, in meinen »Sven«, das ist mein Opel Ascona mit dem amtlichen Kennzeichen PE AH 170, was für Peine steht, Andorra Headquarters.
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