Kaktus zum Valentinstag
recht auf dem Beifahrersitz!« Ja, Auto fahren, das ist wie eine ewige Pause für mich. Herrlich entspannend! Das versteht mein Gnubbelchen nicht. Erst als wir Bakersfield an dem grünkerzigen California Highway 99 North erreichen, erlöst uns ein »Kmart«. Endlich gibt es Essen, Trinken und Proviant für die kommenden Tage in der Wildnis.
Mitten in der Nacht, es ist ein Uhr morgens Ortszeit, erreichen wir schließlich den Yosemite-Nationalpark. Da das Tor bereits oder noch verschlossen ist, campen wir kurzerhand in den Büschen in der Nähe eines Forstwegeingangs, indem wir im Auto schlafen. Erst am nächsten Tag sehen wir die volle Pracht des Nationalparks, den ich bereits 1987 zum ersten Mal, damals allein, erkundschaftet habe.
Der Auftakt zu unserer Hochzeitsreise ist vor allem für Martina stressig. Für mich ist Auto fahren so, als würde ich im fetten Fernsehsessel sitzen und zuschauen, wie die Gegend vorbeizieht. Das ist das Größte für mich. Deshalb habe ich 1987 innerhalb von zwei Monaten genau 22677 Kilometer auf amerikanischen Highways zurückgelegt. Als damals die letzten zwanzig Meilen anbrachen, regnete es stark in meinem Gesicht. Ich war sehr traurig, aber vom Straßensammeln konnte ich nun einmal nicht reich werden und erst recht keine Familie gründen. Stolz protokollierte ich damals alle Straßen und Wege inmeinem Atlas, in dem ich alle erlebten Strecken seit meinem vierten Lebensjahr nachgezeichnet habe.
Im weiteren Verlauf der Reise kaufen wir uns Musik wie Dawn on the desert , um die Gegend ganzheitlich genießen zu können. Als wir im Big-Bend-Nationalpark zusammen den Abend am Rio Grande ausklingen lassen, fragt mich die Mau auf einmal nach Kindern. Dass sie sich ja so gerne Kinder wünsche, betont sie nachhaltig. »Bloß nicht!«, sage ich ihr, »ich möchte doch jetzt erst einmal, dass wir beide das Leben allein genießen können. Bis wir Kinder bekommen, kann doch noch Zeit vergehen.« Damit ist die Diskussion für mich erst einmal beendet.
Auf dem weiteren Weg unserer Reise kommen wir in den Süden Arizonas und in den Norden von Mexiko. Dort gibt es eine Fülle von Kakteen, meinen Lieblingspflanzen. Sie stehen hier oft solitär und dennoch im Wald. Sie sind allein, aber nicht einsam. Seltsam, diese Verbundenheit. Mein Gnubbelchen und ich sind diesmal nicht im Sukkulentenhaus, sondern in einer real existierenden, phantastischen Kakteenlandschaft.
Kakteen sind stachelig und damit für die meisten Wesen unnahbar, eine Eigenschaft, die man mir auch immer wieder nachsagt, ohne dass ich das wirklich verstehe. Als ich daran denken muss, fällt mir unsere Kinder-Diskussion im Big-Bend-Nationalpark ein. Daran anknüpfend sage ich zu meinem Gnubbelchen:
»Mau, so ein Kaktus ist, wie du siehst, eine für uns seltsame, einzigartige Pflanze, die herrlich und heftig blühen kann, wenn die Bedingungen gut sind. Genauso geht es mir. Und wenn du mir da jetzt was von Kindern erzählst, dann habe ich Sorge, dass ich von dir ertränkt werde, dass mir die Sonne genommen wird, die ich erst mal brauche, bevor der Leben spendende Regen kommt!«
»Was meinst du denn damit?«
»Das ist so: Wenn ich im richtigen Klima bin, dann gedeihe ich, dann können auch meine Fähigkeiten richtig aufblühen. Aber meistens regnet es zu viel, es menschelt zu viel, und Sonne kriege ich zu wenig, das heißt Energie, um mich aufblühen zu lassen. Man gießt mich, man meint es gut, ohne zu berücksichtigen, dass ich ganz anders funktioniere. Das war früher bei meiner Mutter so, das ist an der Uni so, das ist anscheinend überall so. Vom vielen Gießen ersaufe ich nämlich. Obwohl ich naturgemäß immer ins Südfenster einer Wohnung gehöre, wenn ich schon in Deutschland sein soll, bekomme ich dendringend benötigten Platz an der Sonne nicht. So jedenfalls fühle ich das alles.«
»Ja, dass du irgendwie anders gepolt bist, das wissen wir ja, und es ist gut so, wie es ist. Aber du hast auch gesagt, dass du Kinder haben möchtest! Sonst hätte ich dich ja nicht geheiratet.«
Ich spüre diesen inneren Widerspruch in mir, weiß aber nicht, wie ich ihn auflösen soll: »Ja, ich will auch Kinder haben. Aber ich will auch ich selbst bleiben können.«
»Das wird schon gehen!«
»Ja, das muss auch gehen, sonst würde ich eingehen!«
In dem festen Glauben, dass wir dafür zu gegebener Zeit die richtige Lösung finden werden, setzen wir zuversichtlich unsere Flitterwochen fort. Das Straßensammeln und Wandern in den
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