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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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Voreingenommenheit. Das scheint mich in diesem Job stark zu machen. Ich bin keiner von denen, die der hiesigen Gesellschaft westliche Werte und Normen überstülpen wollen. Ich bin einer von denen, die den Menschen einen unter ihren Rahmenbedingungen gangbaren Weg zeigen sollen. Für mich ist es eine besondere Freude, Menschen, die im Dschungel ohne Strom und Wasser aufgewachsen sind, an moderne Computertechnologie heranzuführen. Ich bin derjenige, der in ihnen die Sehnsucht wecken soll, diesen Weg zu beschreiten. Aber das funktioniert nur, wenn man das, was da ist, akzeptiert.
    Im Rahmen von sogenannten Weekend-Getaways lerne ich das Land punktuell kennen. Ich bin der einzige Ausländer, der sich traut, kreuz und quer durch das ganze Land der vermeintlichen Kannibalen zu reisen. Und überall, wo ich hinkomme, erlebe ich Gastfreundschaft, wie sie im Bilderbuch steht. Keine Spur von all den Konflikten, die in der Zeitung stehen. Nichts.
    Am meisten beeindruckt mich Rabaul. Dort höre ich nachts das tiefe Bassgrollen des ausbrechenden Vulkans Tavurvur, nur wenige Kilometer von meinem Hotel entfernt, das inmitten einer Apokalypse liegt. Rabaul liegt nämlich im wahrsten Sinne des Wortes in Schutt und Asche, zusammengebrochen unter der tonnenschweren Last aus Vulkanasche. Die Spuren menschlichen Lebens, die mancherorts aus der meterhohen Schicht aus Vulkanasche ragen, zeigen, dass die Natur sich ihre Vorfahrt erzwingt.
    Am liebsten würden die Menschen Vulkanausbrüche und Erdbeben abschalten. Weil es ihre sesshafte Schaffenskraft bedroht und immer wieder zerstört. Auch mich würden manche am liebsten abschaffen, weil ich anders bin, auch ich breche manchmal aus wie ein Vulkan, ohne Vorwarnung. Weil in mir etwas passiert ist, das andere nicht verstehen. Und dennoch siedeln die Menschen gerade hier. Weil Vulkane fruchtbares Land schaffen. So wie ich auch der Mau viele fruchtbare Dinge bieten kann.
    Mit meinem Fahrzeug besuche ich auch die Dörfer, in denen die Mitarbeiter, die ich in diesem Land trainieren soll, aufgewachsen sind. Das ist für mich besonders eindrucksvoll. Echte Dschungeldörfer. Wie aus einem der Abenteuerfilme, wie ich sie in der Kindheit sah, um die exotischen Landschaften darin zu bestaunen. Auch hier wie überall im Land bin ich der Exot, der anerkannte Exot, im Gegensatz zu daheim in Deutschland.
    Im November kommt endlich mein Gnubbelchen mit Raphael im Schlepptau am Flughafen von Port Moresby an. Endlich ist wieder Leben im Haus. Jeden Abend sind wir zusammen am Pool. Für mich die perfekte Abspannung. Und der Job, der macht hier jetzt erst recht weiterhin Spaß. Und abends am Pool habe ich endlich auch mal Zeit für Raphael. Es ist hochinteressant zu sehen, wie er beschwimmflügelt systematisch die Wassertiefen im Pool erforscht. So wie ich es auch getan hätte. Wobei er anfangs der Tragfähigkeit seiner Schwimmflügel misstraut!
    Der Job in Papua-Neuguinea endet mit einem Familienurlaub in Australien. Auf dem Weg dorthin muss ich erstmalig in meinem Leben den Fensterplatz im Flieger einem anderen Familienmitglied überlassen, meinem Sohn. »Hoch – hoch – hochhoch!«, juchzt er, als die Maschine in Port Moresby Richtung Cairns mit einem letzten Blick auf unsere zeitweilige Heimat abhebt.
    Kaum sind wir angekommen, geht es in die herrlichen Weiten des Outbacks. Ayers Rock und die Kata Tjuta fordern unsere Wanderkünste. Der Buggy versagt, meine Schultern müssen als Transportmittel herhalten. Raphael lernt das Leben im „Stoffhaus« kennen, wie er unser Zelt nennt. Das erste gemeinsame Abenteuer meiner jungen Familie ist ein voller Erfolg.

Klimazonen des Lebens
    Zwei Monate später erwartet mich die Arbeitslosigkeit. Weil man aus »hauspolitischen Gründen« nicht bereit ist, mir die dritte befristete Stelle in Folge anzubieten. Diese hätte zu einer unbefristeten Beschäftigung geführt, die will und kann man mir nicht geben.
    Die Mau heißt die Zeit der Arbeitslosigkeit sehr schnell willkommen. Denn sie stellt auf einmal etwas Erstaunliches fest: »Endlich hast du mal mehr Zeit, als nur noch am Abend › Bitte lächeln! ‹ zu kucken und dann auf dem Sofa einzuschlafen! Endlich nimmst du auch zu Hause überhaupt mal wahr, dass du mittlerweile eine Familie hast. Dein Sohn braucht dich auch!«
    Aber wo ich Geld herkriegen soll, das weiß ich auch nicht. Umziehen werde ich auf jeden Fall nur noch dann, wenn ich woanders a) die Probezeit hinter mir habe und b) einen unbefristeten Vertrag

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