Kaktus zum Valentinstag
dann habe ich wenigstens nicht jahrelang ein Kind gehabt, das später sowieso verunglückt wäre.
Wenige Wochen später kommt auch Ramona endlich in den Kindergarten. Ab sofort gibt es am Morgen ein geordnetes Gehen: Raphael geht zur Schule, Ramona wird in den Kindergarten gebracht und ich fahre zur Arbeit. Ich bin froh, dass ich früher nicht bereits mit drei Jahren in den Kindergarten gegangen worden bin. Das hätte mich sehr gestört. Für die RaRas scheint es dagegen gut zu sein.
Den nächsten Familienurlaub verbringen wir rund um die Adria. Da kann man auch im Herbst noch baden, wandern und was erleben. Und das alles bei in der Regel verlässlich gutem Wetter. Denn nichts hasse ich mehr als unplanbares Wetter. Und natürlich fahren wir mit dem Auto, das spart Kosten, man kann mehr mitnehmen als im Flieger und ich kann ganz nebenbei viele Straßen abfahren und sammeln. Der Wagen ist unsere mobile Heimat. Wie ein Schneckenhaus, das man überallhin mitnimmt.
Allein entlang der kroatischen Adriaküste gibt es unzählige interessante Abstecher, die ich unbedingt fahren muss. Die Mau sieht darin immer nur kuriose, zeitraubende Umwege. Für mich führen erst diese teilweise zugegebenermaßen engen Straßen in die wahre Wunderwelt der Karstlandschaften.
Bei der Auffahrt zum Sveti Jure muss Ramona mehrmals kotzen. Innerlich zerreißt es mich, weil ich sehe, dass meine Tochter streng genommen nicht mehr mitfahrtauglich ist, andererseits aber mein starkes Bedürfnis, diese Strecke zu erfahren, ein Umkehren verhindert. Würde diese Sehnsucht jetzt ungestillt bleiben, würde sich das für alle spürbar bis in die nächsten Tage hinein auf die Stimmung auswirken. Deswegen müssen wir weiter. Da ich nun einmal nicht an jeder Haarnadelkurve wie ein Bummelzug halten will, fahre ich die gesamte Strecke ohne Pause hoch. Ausnahmen sind nur die obligatorischen Fotostopps. Während ich dann im Gelände rumspringe, hat Ramona die Chance sich zu erholen. Auf dem Gipfel angekommen,können wir dann wieder gemeinsam den atemberaubenden Blick über die kroatische Adriaküste genießen.
Natürlich fahren wir auch die serpentinig-staubige Piste auf den Mali Alan rauf, jenem Gebiet im Velebit-Gebirge, in dem Winnetou starb. Oder wir wandern querfeldein durch die karstige Felswüste rund um den Zrmanja-Canyon, der in den Karl-May-Filmen einst als Rio Pecos im Apachenland verkauft worden ist.
Nach jedem straßigen Abenteuer warten auf uns auch immer Zeiten am Meer, die für die RaRas anscheinend die besten Tage sind. Ich kann mit zu viel Zeit am Strand leider nicht viel anfangen. Mein Hirn muss immer gefüttert werden – mit juchzigen Wegeerlebnissen. Und es ist und bleibt Martina, die sich immer und überall um die RaRas kümmert. Die all das leistet, was sein muss, was ich nicht oder nur erschwert leisten kann: Alltagsarbeiten und die emotionale Betreuung.
Inzwischen gewinnt mich die lokale Politik für die Liste der nächsten Kommunalwahl. Eine Motivation, mich dort einzubringen, ist, als Teil der Gesellschaft dabei zu sein, wenn etwas gestaltet wird. Eine andere ist, die Prozesse hinter den Kulissen und die Gründe nach außen kurios erscheinender Entscheidungen zu verstehen. Wie Menschen untereinander miteinander umgehen, all das spielt neben der Mitgestaltung der Wahlheimat eine Rolle.
Es gelingt mir tatsächlich, zum Gemeindevertreter Nauheims gewählt zu werden, obwohl ich hier erst zwei Jahre wohne und eigentlich weder von der Historie noch von den internen Angelegenheiten des Ortes eine große Ahnung habe. Hinterher sagt man mir, dass es daran liege, dass ich zum einen einige interessante, der sachlichen Auseinandersetzung dienliche Kommentare geliefert habe, und dass ich zum anderen ein »unbeschriebenes Blatt« sei, ein Mensch, der mit den lokalen Querelen der Politik noch nicht vorbelastet sei, ein Mensch, der neue Wege gehen möchte und nicht nach Gründen sucht, warum etwas nicht geht.
Derweil tauchen bei uns zu Hause immer öfter Freunde der Kinder auf. Sie sind genauso wie die RaRas: Laut und nervig. Als ich seinerzeit bei Frau Vogt die Filme sah, die das helle Kinderlachen an mich herantrugen, hatte ich eine Vorstellung von einem stressfreien, herrlichen Familienleben. Der Familie soll es gut gehen. Alles ist für jeden erlaubt, solange es nicht das Wohlbefinden anderer, besonders meins, stört.
Aber ich hätte nie gedacht, dass ein Minimum an Verboten und Sanktionen immer noch mit Stress verbunden ist. Je älter
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