Kaktus zum Valentinstag
die Kinder werden, desto mehr nerven sie mich.
Warum müssen die immer und überall dazwischen sein? Warum spielen die nicht einfach in ihrem Zimmer, ohne dass sie andauernd angelaufen kommen? Wieso müssen sie andauernd etwas erzählen?
Ich war früher total anders! Ich brauchte die ganzen anderen Leute nicht, um mich zu beschäftigen. Ich drehte die Räder meiner Spielzeugautos, bis leider die Achsen brachen. Zählte bei meiner Autorennbahn einfach nur die gefahrenen Runden. Stundenlang.
Die Mau scheint sich immer mehr nur um die Kinder zu kümmern, statt um mich. Eifersucht macht sich breit. Einerseits. Andererseits habe ich die RaRas doch lieb. Sie brauchen die Mau.
Im kommenden Sommer fahren die Mau und ich wieder alleine nach Indonesien. Die Mau hätte die RaRas gerne mitgenommen, aber ich muss wieder raus, muss Straßen und Strecken sammeln, um nicht einzugehen. Und dabei kann ich keine nervenden Kinder mit großen eigenen Bedürfnissen gebrauchen.
Zu Hause machen wir mit den RaRas dafür verstärkt Ausflüge, sozusagen Urlaub auf Raten. Der erste Ausflug geht am 11.8.2002, exakt drei Jahre nach der totalen Sonnenfinsternis, ins »Taunus Wunderland«, einem Erlebnispark für kleinere Kinder.
Dort wollen die RaRas unbedingt ins Geisterhaus. Und der Papa soll da unbedingt auch mit rein. »Charlie«, so nenne ich mich in Selbstgesprächen oft, »Charlie, stell dich nicht so an, wenn das für Kinder ist, wird es wohl okay sein, es kann gar nicht so schlimm werden.« Tapfer folgt der große Dr. Peter Schmidt seinen RaRas ins Geisterhaus.
Dann gibt es ein illusioniertes Erdbeben, und das Haus dreht sich weg und es dreht sich doch nicht weg – ich spüre, wie mein Hirn tiltet, binnen Sekunden stockt mein Puls und rast dann wieder bubbernd, die Sprinkleranlagen auf allen Häuten gehen an. Herrgott, wo ist der Knopf zum sofortigen Aussteigen? Die Kinder juchzen und ich krepiere da drin. Warum?
Das, was die Augen dem Hirn melden, das, was die Arme und Beine spüren, das, was ich rieche, das, was ich höre, mein Hirn kriegt es nicht zu einem einzigen sinnergebenden Bild zusammen. Ich wahnsinne, mich martern unerbittliche Kopfschmerzen. Augen zu und durch ist meine Rettung – hoffentlich. Ich merke, wie mein Puls immer wieder stockt und rast, es ist so wie bei einer Narkotisierung. Ich soll bewusstlos werden, will aber nicht. Ich kneife mir blaue Flecken, nur um zu spüren, dass ich da bin. Ich schließe die Augen, und kreiere mir meine eigenen Phantasien zu den Schaukeleien. Das beruhigt Hirn und Kreislauf sehr schnell. Sobald ich aber die Augen erneut öffne, tiltet es sofort von Neuem. Dann ist es endlich aus – aus – aus.
Torkelnd trete ich aus dem Geisterhaus. Und die RaRas juchzen. Das ist definitiv das letzte Mal, dass ich in so einen Simulator gegangen bin, schwöre ich mir. Es muss was damit zu tun haben, dass die Simulation nicht perfekt genug ist, um als echt anerkannt zu werden! Und beim Feststellen der wahren Situation macht es halt »Tilt«, dafür ist dann doch zu viel Illusion in der Illusion da.
Anfang September bietet sich die Chance, im kommenden Jahr zum Waw an-Namus, einem spektakulären Vulkankrater inmitten der Sahara, zu fahren. Da möchte ich natürlich unbedingt hin. Doch die Mau ist davon nicht begeistert. Denn ich war doch erst dieses Jahr im Winter in der Sahara, zwar mit einer Gruppe, aber ohne die Mau.
Schließlich einigen wir uns auf einen Vertrag. Wenn ich in der Woche keine Süßigkeiten und kein Eis mehr esse, darf ich dahin fahren. So schließen wir untereinander unseren »Libyen-Vertrag«, dessen Ziel ist, dass ich wieder schlank werde. In dem Libyen-Vertrag steht, dass das Essen nach 19 Uhr grundsätzlich nicht mehr gestattet ist, dass nur zu besonderen Anlässen und am Wochenende Süßigkeiten und Eis in Maßen gegessen werden dürfen, aber eben nicht im Alltag. Dass es fortan viel mehr Obst und Gemüse geben soll und vieles mehr.
Denn mit meinem Gewicht könne es so nicht weitergehen. Wenn eine Jeans von oben bis unten aufreißt, dann ist das als Zeichen zu nehmen. Der Libyen-Vertrag kostet jede Menge Disziplin, Selbstbeherrschung und Überwindung, aber es gelingt mir tatsächlich, mich in den kommenden drei Monaten strikt an den Vertrag zu halten.
Habe ich bei Inkrafttreten des Libyen-Vertrages noch 95 Kilo gewogen, sind es drei Monate später nur noch ganze 79 Kilogramm. 16 Kilo in drei Monaten, das bedeutet, jede Menge neue Klamotten zu kaufen, denn in Säcken
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