Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)
viel ist das?«
»Noch fünfzigtausend.«
»Ist das alles?«
»Alles, was noch übrig ist. Das heißt, du kriegst hundert Riesen und ich kriege die Lady.«
»Du willst mich wohl für dumm verkaufen, du Dreckskerl. Hundert Riesen, mehr ist nicht mehr da? Willst du mich verarschen?«
»Es sind noch ein paar Aktien da, klar … Wenn du dich wochenlang abrackern willst, um die zu verkaufen … Aber an Bargeld ist das alles.«
Becker entspannte den Hahn seines Revolvers.
»Ich glaube dir zwar nicht so ganz, aber du hast Glück, Jack. Ich habe heute meinen großzügigen Tag. Allerdings bestimme ich den Übergabeort. Und ich bestimme auch den Zeitpunkt.«
»In Ordnung«, sagte Jack.
Arno rührte in seinem schrecklichen Gebräu.
»Am Katzenkerker. Kennst du den?«
Jack musste gegen den plötzlichen Drang zu scheißen ankämpfen.
»Ja, kenne ich.«
»Natürlich … Wir treffen uns am Käfig. Heute Abend um sechs. Bring das restliche Geld und, Jack, wenn sich dort sonst noch jemand blicken lässt, irgendjemand außer dir, dann wird deine dreckige, blaue Hure ganz plötzlich bleigrau.«
»Du wirst ein reicher Mann sein, Arno.« Jack bemühte sich, ruhig zu wirken. »Versau es dir nicht.«
» Bring mir das Geld! «, knurrte Becker.
Jack wandte sich an Luna.
»Um sechs bin ich zurück. Lass den Kopf nicht hängen.«
»Lass den Kopf nicht hängen, haha. Wir werden ja sehen …«, sagte Becker spöttisch.
Lunas Café hatte nur ein einziges Fenster, durch das man die untergehende Sonne sehen konnte. Sie ging im Herbst wirklich schneller unter, bemerkte Jack, als er so schweigsam dasaß. Nicht so schnell wie in Cincinnati vielleicht, aber trotzdem zu schnell. Doc Snyder drängte sich mit den Überlebenden des bunten Völkchens von Kaleidoscope um die Arzttasche, während Jack ein Gummiband um ein Bündel Hundertdollarscheine schnappen ließ.
»Ich weiß nicht, ob Becker mit dem Wagen oder mit dem Boot abhauen will. Das finde ich erst heraus, wenn es so weit ist.« Dann machte er die Tasche zu.
»Dass du allein gehst, gefällt mir immer noch nicht«, sagte Tommy. »Du gehst allein hin, er nimmt das Geld und dann bringt er euch beide um.«
»Vielleicht auch nicht«, antwortete Jack ungeduldig. »Wenn er den Zaster erst hat, will er doch auf keinen Fall die Bullen am Hals haben.«
»Becker macht sich doch wegen der Polizei keine Sorgen«, wandte Doc ein. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Wenn er außer mir noch jemanden sieht, dann bringt der Scheißkerl Luna sofort um. Geld oder kein Geld.«
»Wirr mussän doch irrgendwas tun könnän!«, knurrte Jo Jo.
Jack schüttelte den Kopf. »Nein, das ist zu riskant.«
»Wir sind Schausteller«, wandte Cassandra hitzig ein. »Wir sind Risiko gewohnt.«
Jack wollte gerade wieder protestieren, als Tommy Specks Frau sich ganz gelassen zu Wort meldete.
»Beruhigen wir uns alle erst mal. Jack, Sie müssen das Geld abliefern und sich um Luna kümmern. Das ist Ihre Aufgabe. Um alles andere brauchen Sie sich nicht zu sorgen.«
Jack betrachtete die Gesichter der Sonderlinge um ihn herum. Nur ein paar Wochen zuvor hatte der Anblick dieser Gestalten Ekel in ihm ausgelöst. Zu wenige Haare oder zu viele. Zu wenige Körperteile oder zu viele.
Aber sie alle hatten Augen. Alles, was Jack jetzt noch wahrnahm, waren ihre Augen. Er hatte tausend Spielern bei tausend Pokerpartien tief in die Augen geschaut, bis sie sich verrieten, aber aus keinem dieser Gesichter hier wurde er schlau. Keines gab etwas preis.
»Mach du deine Arbeit«, sagte Half Track gelassen, »und überlass alles andere uns.«
Er zögerte kurz, bevor er die Tasche aufhob.
»Ich habe … Ich habe das Gefühl, euch enttäuscht zu haben. Euch alle.«
»Hol einfach Luna zurück.« Tommy drückte ihm die Tasche in die Hand. »Bring sie unversehrt nach Hause und alles ist vergessen.«
Als Jack sich innerlich auf das Treffen mit Arno Becker vorbereitete, musste er gegen seine panische Angst ankämpfen. Und dafür gab es viele Gründe. Erstens konnte man Arno natürlich nicht trauen und außerdem hatte Jack sein gewohntes Handwerkszeug nicht dabei. Messer und Schlagring, mit denen er sich sonst überall Respekt verschaffte, hätte er nicht vor Becker verbergen können. Der Teutone würde Jack gar nicht erst an Land lassen, wenn erirgendetwas entdeckte, das wie eine Waffe aussah. Nicht mal einen Spaten konnte er mitnehmen.
Selbst sein Stock war riskant.
Jack hatte von Cassandra einen schweren Gehstock aus sehr
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