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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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Stimmen langsam und fast unmerklich die fehlenden oder zusätzlichen Gliedmaßen, Läsionen, anatomischen Anomalien und Hautfalten vergessen. Dies waren die Stimmen einer richtigen Familie, wie sich Jack allmählich bewusst wurde, einer großen Sippe, die mit Eisenbahn und Automobilendurchs ganze Land zog, einer Gesellschaft von Außenseitern, die sich jedes Jahr, wenn der Frost einbrach, aufs Neue, wenn auch nicht im häuslichen Kreis, so doch im Kreis alter Bekannter zusammenfand.
    Manche waren große Stars, aber nicht hier. Die schwerreichen Hilton Sisters holten sich genauso wie Half Track und Penguin selbst ihre Getränke an der Bar. Sie wurden wie jeder andere Artist geneckt und auf den Arm genommen. Es gab hier auch andere große Namen, Artisten, die in dieser exotischen Welt höchstes Ansehen genossen, denen man aber mit der gleichen Gelassenheit begegnete.
    Kurz vor Mitternacht betrat sogar Jack Earl den Pavillon, der noch mal dreißig Zentimeter größer als Giant war und mit dem Cowboyhut über seinem Nussknackergesicht noch riesiger wirkte.
    »Ich war gerade in der Gegend«, beantwortete Earl eine beiläufige Frage. »Ich dachte, ich spiele ein bisschen Karten und gewinne mein Geld von Tommy Speck zurück.«
    »Wie viel Zeit hast du, Earl?« Tommy machte schon eine Kiste frei, um sie als Tisch zu benutzen.
    »Nicht genug.«
    Es war schon ein seltsamer Anblick, wie ein über zwei Meter fünfzig großer Mann ein Zweihundert-Liter-Fass heranzog, um sich draufzusetzen.
    Als der größte Mann der Welt seinen Hut zurückschob, war die Müdigkeit in seinem Gesicht zu sehen.
    »Ich muss nach Sarasota zu Barnum.«
    »Der Scheißkerl kann auch warten«, entgegnete Cassandra, als Tommy die Karten rausholte.
    »Sag P. T., du bist mit mir angeln gegangen.«
    »Ich war schon mal mit dir angeln, Cassandra.« Earl zwinkerte. »Und das hat mich fast umgebracht.«
    Das ganze Zelt brüllte vor Lachen. Im zerfurchten Gesicht des Riesen machte sich langsam ein Lächeln breit. Seine tief liegenden Augen wanderten durchs Zelt, bevor sie auf das einzige makellose Gesicht trafen.
    Ohne Vorwarnung reichte Jack Earl herüber und griff nach Jacks Hand, mit der er gerade Karten gab.
    »Dich habe ich noch nie gesehen.« Earl drehte Jacks Hand-fläche nach oben, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Ich bin nur Arbeiter.« Jack widerstand dem Drang, die Hand zurückzuziehen. Das Zelt war plötzlich so still wie eine Leichenhalle. »Habe gerade erst angefangen. Tommy arbeitet mich ein.«
    Earl zuckte mit den Schultern, als er die Karten mischte.
    »Jeder hat mal klein angefangen«, sagte er. »Ein guter Rat, wenn du nichts dagegen hast.«
    »Natürlich nicht.«
    »Denk dir eine Nummer aus. Lauf über Nagelbretter, scheiß aus dem Maul, irgendwas. Du willst doch nicht ewig Arbeiter bleiben.«
    Diese Erklärung schien als eine Art Segnung aufgenommen zu werden. Stimmengewirr und Lachen lebten wieder auf, als wenn jemand ein Grammophon neu angekurbelt hätte, und innerhalb von Sekunden war es im Zelt so laut wie vorher.
    »Lass den Mann mitspielen, Tommy«, sagte Earl; und Jack nahm seinen gewohnten Platz ein.
    Sie spielten ein paar Runden. Geplauder. Dann wandte sich Earl an Tommy Specks Frau.
    »Ich bin letztens deinem Bruder begegnet. In Saratoga. Er hat gesagt, er ist jetzt Pitcher bei den Reds.«
    Jack verzog keine Miene.
    »Er versucht’s einfach mal«, sagte Eileen und wurde rot vor Stolz. »Aber Aaron ist gut.«
    »Er hat einen unglaublichen Wurf«, stimmte Tommy zu.
    »Den hatten sie auch nötig«, stimmte Earl ein und Eileen lachte mit den anderen.
    Jack bediente ein paarmal, bevor er eine beiläufige Frage riskierte.
    »Sind Sie aus Cincinnati, Eileen?«
    »Meine Familie wohnt dort«, bestätigte sie lächelnd und Tommy unterbrach sie sanft.
    »Aber es ist nicht wirklich ein Zuhause, oder, Babe? Wo wir immer unterwegs sind.«
    Jack antwortete mit einem freundlichen Nicken. Er spielte noch ein paar Runden, bevor er aufgab.
    »Ich muss in die Koje, Leute«, entschuldigte er sich und verabschiedete sich von den Specks und den anderen.
    Während er an einem Kieferngehölz vorbei zu seiner Hütte ging, ließ sich Jack die neuen Erkenntnisse dieses Abends durch den Kopf gehen. Da gab es zwei Dinge. Erstens wollte Tommy offenbar vor Jack verheimlichen, dass seine Frau aus Cincinnati stammte. Aber warum? War es reiner Zufall, dass Eileen aus dieser Stadt stammte? Und was war mit Eileens Bruder? Anscheinend jemand, der viel herumkam und im

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