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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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das Tor zu diesem primitiven Palast. Ohne ein Wort des Danks oder auch nur einen Gruß schob Giant das Essen auf Rädern in das düstere Zelt. Tommy drängte Jack zu einem Stapel Eisenstangen.
    »Nimm dir mal ein paar von den Eisenpflöcken.«
    Jede Stange war so dick wie Jacks Arm und einen Meter achtzig lang. Jack bemerkte, dass oben Ösen aufgeschweißt waren.
    »Luna will, dass wir Ambassador noch mal zusätzlich sichern.«
    Dann gab Tommy genaue Anweisungen, wie eine Eingrenzung aus Pflöcken zu bauen sei, um einen weiteren Amoklauf des alternden Elefanten zu verhindern.
    »Du musst einfach nur die Eisenpfähle in den Boden rammen. Die Stellen sind schon markiert. Dann ziehen wir Ketten durch die Ösen, um den alten Knaben festzumachen.«
    »Ich habe aber noch nie einen Elefanten festgemacht.«
    »Damit fängst du auch jetzt nicht an. Das macht sein Dompteur.«
    Als Jack es schließlich geschafft hatte, einen einzelnen Eisenstab auf seine Schulter zu hieven, war Giant im Begriff zu gehen. Er nickte Tommy fast unmerklich zu, aber Jack gegenüber … nichts. Als wäre er unsichtbar.
    »Nicht sehr geschwätzig, der Nigger, was?«
    »Nenn ihn ruhig Nigger, wenn er dabei ist, dann kannst du was erleben.«
    Jack war wieder daran erinnert, dass er in dieser seltsamen Gemeinschaft ein Außenseiter war. Vor ihm hingen an Leinen Reihen von Laken, geisterhafte Raumteiler nahe der Zeltmitte. Tommy blieb abrupt stehen und Jack wäre fast über ihn gestolpert.
    »Pass doch auf.«
    »’tschuldigung.«
    »Also du wirst jetzt die Prinzessin kennenlernen, unsere größte Attraktion. Die Artistin unter uns, die den meisten Respekt genießt.«
    »Ja, klar. Sicher.«
    »Nein, nichts ist klar und nichts ist jemals sicher«, widersprach Speck ihm frostig. »Peewee kann schwierig sein. Wenn sie Bock auf Leute hat, ist alles in Ordnung. Aber wenn du schlau bist, halt einfach die Klappe, tu deine Arbeit und hau wieder ab. Und gaff sie bloß nicht an. Sie hat jetzt frei und ist in ihrem eigenen Zuhause. Also verhalte dich verdammt noch mal respektvoll ihr gegenüber.«
    Tommy ließ ihn dort stehen, auf halbem Weg zwischen dem Allerheiligsten und der Außenhaut des Zelts. Das einzige eindringende Licht verschwand plötzlich, als Speck beim Hinausgehen die Klappe schloss. Jack konnte sich nur an der geisterhaft fahlen Lakenwand vor ihm orientieren.
    Er schwitzte jetzt schon wie ein Schwein. Im Zelt war es trotz Dunkelheit drückend heiß. Es war kein einziges Geräusch zu hören. Kein Trompeten des Urwaldungetüms. Kein Ton von der Prinzessin. Jack tastete sich in seinen Straßenschuhen zum Schmalspurgleis vor und folgte ihm zum lakenverhangenen Boudoir.
    Ein flackerndes Licht im Innern, eine Laterne.
    »Also kommen Sie nun rein oder nicht?«
    Als er das Laken wegschob, sah er sie: Prinzessin Peewee, die auf einem mit genügend Holz zum Bau einer Scheune verstärkten Bett saß und sich wie ein verhätscheltes Rindvieh an dem Wagen vollstopfte, der direkt daneben auf dem Gleis festgekeilt war.
    Auf einem Kissen, das neben Peewees gewaltigem Kopf winzig wirkte, saß groteskerweise eine Lumpenpuppe. Und noch eine Überraschung: überall nur Bücher – aufgeklappt auf dem Bett, auf dem Sägemehlboden gestapelt und in Regalen am Kopfende des Betts. Ein paar Autoren kannte er. Eine verheiratete Frau hatte ihm nach einer flüchtigen Begegnung ein Exemplar von Der große Gatsby gegeben, ein absolutes Muss, wie sie sagte, das Buch unserer Generation, aber er war nie dazu gekommen, es zu lesen. Peewee andererseits war offensichtlich sehr in das Buch vertieft, das offen auf ihren Brüsten lag. Jack wandte seine Aufmerksamkeit dem Wassertank zu, einer gigantischen Zisterne mit an die zehn Meter Umfang. Und einen Meter achtzig tief. Man konnte sehen, wo derEisenzylinder durchgebrochen und mit neuen Nieten, blank wie Silberdollar, repariert worden war. Die Schweißnaht sah nicht sehr professionell aus. Jack fragte sich, ob sie halten würde.
    Peewee kaute unablässig wie eine Kuh. Sie konnte sich gar nicht entscheiden, ob sie zuerst zu Hähnchenbrust oder Buch greifen sollte.
    »Schau mal, Ambassador, ein Neuer.«
    Vor dieser Bemerkung hatte Jack das Tier überhaupt nicht bemerkt. Wie konnte er nur einen verdammten Elefanten übersehen? Aber Peewees Boudoir war recht groß und dunkel, und wenn er sich nicht bewegte, war Ambassador hinter dem Wassertank kaum auszumachen.
    Als der Elefantenbulle zum Kopfende von Peewees Bett trottete, bebte die Erde,

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