Kalifornische Sinfonie
Daunen liegen und trotzdem nicht schlafen können. Sie selber aber würde in ihren Büffelfellen herrlich schlafen; oh, sie war so müde. Sie schlief zwölf Stunden hintereinander ruhig und tief.
Am Morgen gab es, zum erstenmal, seit sie Santa Fé verlassen hatten, ein Frühstück. Olivers Boy brachte Garnet eine Schüssel Atole und ein großes Stück Bratfisch. Sie schrie vor Entzücken, und der Boy grinste. Oliver setzte sich mit seiner Schüssel neben sie ins Gras. »Wie fühlst du dich?« fragte er.
»Wunderbar«, sagte sie.
»Du hast dich prachtvoll gehalten.«
»Habe ich das wirklich?«
»Großartig! Ohne jede Einschränkung. Die Männer haben bezweifelt, daß du es schaffen würdest. Heute zweifeln sie nicht mehr.« Garnet lächelte, froh, daß er sie lobte, und froh, daß die trockenen Strecken nun hinter ihnen lagen. »Wird es im nächsten Frühling leichter gehen?« fragte sie.
»O ja«, antwortete er. »Im Frühling gibt es mehr Gras und mehr Wasser. Und überhaupt: Zieht man ostwärts, dann weiß man, daß der Weg von Tag zu Tag leichter wird. Zieht man westwärts, weiß man das Gegenteil.«
Garnet setzte mit einer jähen Bewegung ihre Schüssel ab. Oliver war viel zu sehr mit seinem Frühstück beschäftigt, um zu bemerken, daß er sie erschreckt hatte.
»Wird die Strecke, die vor uns liegt, noch schlimmer als die, die wir hinter uns haben?« fragte sie, bemüht, ihrer Stimme einen nicht gar zu ängstlichen Klang zu verleihen.
Oliver sah nicht auf. »Nun«, sagte er, »streckenweise wird es ziemlich schlimm werden. Aber du bist jetzt ja daran gewöhnt.«
Garnet dachte, so wie ihr jetzt zumute sei, müsse sich eine Schildkröte fühlen, die sich in ihren Panzer zurückgezogen habe. O Gott sie wollte nicht mehr!
Sie blickte sich um. Die Maultiere grasten friedlich und taten sich an dem grünen Gras gütlich. Die Männer hockten zusammen, spielten Karten, besserten ihre Sachen aus oder schnitten sich gegenseitig die Haare. Sie schienen nicht im geringsten bange zu sein. Sie wußten genau, was vor ihnen lag, aber sie fürchteten sich nicht. Ich bin kindisch, dachte Garnet, ich muß mich zusammennehmen. Es ist nur: Ich mache diese Kontinentdurchquerung zum erstenmal, und ich bin eine Frau. Sie erhob sich und sagte, sie wolle die Wäsche holen, die sie gestern gewaschen habe; es sei einiges auszubessern. Sie schlenderte langsam zum Bach hinunter.
Die Mexikanerinnen hockten am Ufer und wuschen ihre Kleider auf den Steinen; sie grüßten Garnet sehr höflich und zuvorkommend. Sie hatten die große Reise schon mehrmals gemacht und schienen wegen des restlichen Weges auch nicht beunruhigt. Florinda kam ebenfalls heran und nahm ihre Wäsche von den Büschen ab, wo sie sie zum Trocknen ausgebreitet hatte. Florinda sah aus, als hätte sie auch gut geschlafen, sie wirkte sehr viel weniger elend als an den vergangenen Tagen.
Während sie noch mit dem Einsammeln der Wäschestücke beschäftigt waren, tauchte John Ives auf und fragte, ob er ihnen behilflich sein könne. Sie luden ihm die Arme voll Wäsche, und er trug sie ihnen in den Schatten eines großen Felsblockes, wo sie sich hinsetzten und ihre Näharbeiten verrichten konnten. »Sie sind sehr fleißig, meine Damen«, lächelte er.
»Wir sind nicht annähernd so fleißig wie Sie«, erwiderte Garnet. »Für euch Männer hört die Arbeit ja überhaupt nie auf.«
»Wir sind daran gewöhnt«, sagte John.
»Wie lange sind Sie schon beim Kalifornien-Treck, Johnny?« fragte Florinda.
»Fünf Jahre.«
»Fürchterlich! Aber Ihnen scheint es Spaß zu machen.«
»Das ist übertrieben«, sagte John. »Übrigens ist dies meine letzte Fahrt. Ich habe eine Landbewilligung für Kalifornien bekommen.«
»Sie werden also dort wohnen bleiben?«
»Ja. Soll ich die Sachen hier ins Gras legen, Mrs. Hale?«
»Ja, bitte tun Sie es. Danke sehr.«
John legte die Wäsche ab und ging mit seinen langen Schritten davon. Garnet und Florinda setzten sich ins Gras und öffneten ihre Nähkörbe.
»Ein netter Kerl, dieser John«, sagte Florinda.
»O ja, ich mag ihn sehr. Aber er scheint sich am wohlsten in seiner eigenen Gesellschaft zu befinden.«
»Er mag Sie sehr gern«, sagte Florinda. »Aber er liebt die Menschen im allgemeinen nicht.«
Garnet begann einen Knopf anzunähen. »Verstehen Sie das?« fragte sie, »warum mag er die Menschen nicht?«
»Ich nehme an, er fürchtet sich vor ihnen.«
»Fürchten? John Ives fürchtet sich vor gar nichts.«
»Vor nichts,
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