Kalifornische Sinfonie
schöpfte Wasser aus dem Fluß und kühlte damit ihr Gesicht. Er sah: Ihre Arme und Hände waren über und über mit flammendroten Narben bedeckt. Er trat einen Schritt vor.
Florinda hörte ihn kommen. Sie zuckte heftig zusammen und fuhr herum. »Oh«, sagte sie leise, »Sie sind es schon wieder. Was wollen Sie nun noch von mir?«
Er kam näher heran und blieb neben ihr stehen. »Ich wollte Sie um Verzeihung bitten«, sagte er.
Florinda sah in halb ärgerlich, halb verwirrt an. Sie strich sich mit dem Handrücken das nasse Haar aus dem Gesicht. »Verzeihung?« sagte sie, »wofür?«
»Für alles, was ich Ihnen vorhin gesagt habe.« Er sah auf ihre Hände und Arme. »Ich wußte ja nicht, daß Sie einen Grund hatten, sich vor Brandwunden zu entsetzen.«
Ein bitteres Lächeln überzog Florindas Gesicht, während sie die nassen Hände an ihrem Rock abwischte. »Der einzige Fehler an einem sonst vollkommenen Körper«, sagte sie.
»Ich habe Ihre Hände noch nie gesehen«, sagte John. »Ich dachte, Sie trügen der Sonne wegen ständig Handschuhe.« Er schwieg einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Vergeben Sie mir, daß ich an Ihnen zweifelte.«
»Oh, vergessen Sie es«, sagte Florinda. »Es tut mir leid, daß ich mich schlecht benommen habe vorhin. Ich wollte nicht aus der Rolle fallen. Aber es war stärker als ich. Es ging mit mir durch. Bitte, sagen Sie es niemand.«
»Natürlich nicht.«
Florinda preßte die narbenbedeckten Hände gegen die Stirn; ein Zittern lief durch ihren Körper. John kniete sich neben sie und nahm eine Flasche Whisky aus der Tasche.
»Trinken Sie einen Schluck«, sagte er, »es wird Ihnen guttun.«
»Nein, danke. Ich trinke nie.«
»Das habe ich bemerkt; aber manchmal hilft es.«
»Mir nicht. Ich habe es versucht.«
Sie versuchte ihr Haar zu ordnen. Vom Lager drang der wilde Schmerzensschrei eines Mannes herüber, dem wohl gerade Texas’ Eisen ins Fleisch drang und der nicht so viel trotzigen Stolz wie Garnet aufbrachte. Florinda liefen Schauer über den Rücken, als sie den Schrei vernahm; sie mußte heftig schlucken; offenbar würgte es sie. John sagte:
»Ich glaube, ich kann Ihnen helfen. Legen Sie sich flach auf die Erde. Nein, nicht hier; ich weiß nicht, wer hier herumlungert; man hat von hier keinen Ausblick. Kommen Sie etwas weiter herauf, dort hinter die Steine.«
Er half ihr auf die Füße und führte sie ein Stück flußabwärts an einen freien Platz, von wo aus sie das Lager sehen konnten.
»Hier sind Ihre Handschuhe«, sagte er. »Legen Sie sich hin. Flach auf den Rücken. Halten Sie sich vollkommen ruhig. Ich komme sofort zurück.«
Sie streckte sich gehorsam im Grase aus. Nach wenigen Minuten kam John, der sich entfernt hatte, zurück; er hatte ein Stück Salzfleisch in der Hand. Er legte ihr den Arm unter die Schulter und hob sie hoch.
»Essen Sie das«, sagte er. »Kauen Sie es gut durch. Ja, es ist salzig. Aber Sie müssen das Salz mitessen.«
Florinda tat nach seinem Geheiß. Sie biß kleine Stücke von dem Fleisch und kaute sie durch. Nach jedem Biß machte sie eine kleine Pause, um sicher zu sein, daß es hinunterkäme und auch im Magen bliebe. Sie aß das Fleisch ganz auf und legte sich wieder hin. John saß neben ihr und beobachtete sie. Nach ein paar Minuten atmete sie tief und wandte sich ihm zu. »Es bleibt tatsächlich«, sagte sie. »Ich war erst sicher, es wieder erbrechen zu müssen. Wie konnten Sie das wissen?«
John ließ ein leises Lachen hören. »Ich bin seinerzeit mit einem Klipper aus Boston rund um Kap Hoorn nach Kalifornien gekommen«, sagte er. »Als wir mehrere Anfälle von Seekrankheit hinter uns hatten, begann der Koch, uns mit Salzfleisch zu füttern. Es half. Sie werden natürlich sehr durstig werden, aber Sie sollten versuchen, eine Zeitlang nicht zu trinken.«
Florinda lag ruhig im Gras. John blieb neben ihr sitzen und beobachtete sie. Nach einer Weile sagte sie: »Ob ich jetzt wohl einen Schluck trinken könnte?«
»Ich denke, Sie halten es noch ein Weilchen aus.«
»Ja«, sagte sie, »ich werde es schon können.«
Er entkorkte die Wasserflasche, die ihm am Gürtel hing, und gab ihr einen kleinen Schluck. Sie lächelte und streifte die Ärmel ihres Kleides herab. »John«, sagte sie, »es tut mir leid. Ich benehme mich schlimmer als ein Baby.«
»Das bezweifle ich«, sagte John. »Ich weiß jetzt, was es Sie kostete, an der Seite von Mrs. Hale auszuhalten.«
»Ja«, flüsterte sie, »es war nicht einfach. Aber ich darf
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