Kalifornische Sinfonie
liegenzubleiben und zu versuchen, sich zu entspannen. Garnet hatte furchtbaren Durst, und obwohl sie im Schatten eines Felsens lag, war ihr sehr heiß. In ihrem Arm pochte es. Oliver hielt ihr die Flasche an den Mund: »Trink, soviel du magst und kannst«, sagte er. Florinda erhob sich und lief fort.
John stand bei einigen seiner Maultiertreiber. Er sah Oliver neben Garnet sitzen und Florinda davonrennen. Er drehte sich auf den Absätzen, lief zum Fluß hinab und am Ufer entlang bis zu einem großen Geröllhaufen, der mit Buschwerk überwachsen war. Hier sah er Florinda im Gras hocken; sie konnte vom Lager aus nicht gesehen werden. Als sie John herankommen hörte, wandte sie ihm den Kopf zu.
John verhielt den Schritt und sah sie von oben bis unten an.
»Gehen Sie zu Mrs. Hale zurück«, sagte er leise.
»Gehen Sie selber zurück«, antwortete Florinda kurz.
»Warum sind Sie davongelaufen?«
»Das geht Sie gar nichts an.«
»Hören Sie auf, sich wie ein Kaninchen zu benehmen«, sagte John. »Sie gehen jetzt zurück und halten dem Kind die Hand, während Texas ihr die Wunde ausbrennt.«
Sie antwortete nicht.
»Ja, zum Teufel, Florinda, was ist mit Ihnen los?« sagte John.
Florinda stieß zwischen den Zähnen heraus: »Ich werde nicht dabeisitzen und zusehen, wenn sie sie brennen wie eine Kuh. Sie können mich nicht dazu zwingen. Es würde ihr nicht guttun, wenn ich dabei wäre.«
»Das wird es wohl. Sie bat Sie ja sogar, dabei zu sein und ihr die Hand zu halten. Ich hörte es.«
»Garnet braucht mich nicht dabei.«
»Ich glaube, daß sie Sie wohl braucht. Außerdem, Sie sind ihre Freundin, und Sie sind eine Frau. Es ist das eine verdammt unangenehme Operation, sage ich Ihnen. Ich habe sie einmal über mich ergehen lassen; ich habe die Narbe noch immer am Bein. Es ist kein Spaß, wenn das glühende Eisen sich in das zuckende Fleisch frißt. Der Patient hört es zischen, und er riecht, wie sein eigenes Fleisch schmort. Und außerdem ist es verdammt schmerzhaft.«
In dem Blick, den sie ihm zuwarf, stand das nackte Entsetzen. »Verschonen Sie mich gefälligst mit diesen reizenden Einzelheiten«, zischte sie. »Ich werde nicht dabeisitzen, um diesen Greuel zu sehen, zu hören und zu riechen. Ich werde hier sitzenbleiben, bis es vorbei ist.«
»Sehr gut!« sagte John. »Nur, Sie sehen mich einigermaßen überrascht. Ich wußte nicht, daß Sie so ein jämmerliches Nervenbündel sind.«
»Dann wissen Sie es nun. Ich bin ein schwächliches Nervenbündel. Ich bin eine vornehme Dame, die in Ohnmacht fällt, wenn sie Blut sieht. Gehen Sie zum Teufel, Mann, und lassen Sie mich allein!«
John zuckte verächtlich die Achseln. »Eine spaßige Sache«, knurrte er. »Ich habe Sie in der Wüste hin und wieder beobachtet. Sie hielten sich verdammt gut, und ich dachte mir, Sie hätten Nerven wie Seile. Aber manche Menschen sind so. Wenn es um sie selber geht, ist ihnen nichts zuviel. Wenn sie aber einem anderen helfen sollen, benehmen sie sich wie kranke Hühner. Es tut mir leid, daß ich Sie belästigt habe.«
Florinda wandte ihm den Kopf ganz zu und sah ihm gerade ins Gesicht. Während sie ihn liebenswürdig anlächelte, sprudelte eine Flut beleidigender Schimpfworte über ihre Lippen. Das ganze Vokabular der Gasse war darin vertreten.
John lächelte anerkennend. »Was für ein Wortschatz!« sagte er. »Schade, daß es nur Worte sind und daß Sie es vorziehen, wie ein Zuckerpüppchen zu leben. Nun gut, ich weiß wenigstens, woran ich bin. Wenn Sie also nicht gewillt sind, Ihrer Freundin Garnet in der Stunde der Not beizustehen und ihr die Hand zu halten, dann werde ich es eben tun. Hinterher werden wir beide dann noch einen kleinen Streit miteinander auszufechten haben.« Er schwieg, und Florinda schwieg auch. Mit veränderter Stimme sagte John: »Sie wollen Garnet also nicht beistehen?«
Florinda atmete schwer. »John«, flüsterte sie, »ich – kann es nicht!«
»Warum können Sie nicht?«
»Ich habe keinen Charakter, John. Ich würde ins Zittern geraten und krank werden und wäre Garnet gar keine Hilfe.«
»Sie sagten mir einmal in Santa Fé, sie hätten eine sehr hohe Meinung von Garnet Hale. Ich war damals fest überzeugt, daß Sie das ehrlich meinten.«
Florinda ließ den Kopf sinken. John sah, wie sich ihre Brust unter kurzen, heftigen Atemzügen hob und senkte. Er brach eine Gerte von einem überhängenden Busch und schlug damit gegen den Steinhaufen.
Ohne aufzusehen sagte Florinda: »Garnet hat mehr
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