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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Bartisch. Er war wieder nüchtern. Er mußte es an jenem Abend der allgemeinen Freude ziemlich schlimm getrieben haben, aber Garnet tat so, als wisse sie gar nichts davon. Er hatte sich bei ihr entschuldigt. Er habe nur einen Schluck mit den Boys trinken wollen, aber dann hätten sie ihn fertiggemacht; er wisse auch nicht, wie es geschehen sei. Garnet hatte sich an Florindas Rat erinnert und lachend erwidert: »Aber was reden Sie denn da, Texas! Jedermann war an dem Abend betrunken. Isabel hat für mich gesorgt; ich habe nichts vermißt, und bald danach bin ich auch schon aufgestanden.«
    Texas hatte seit jenem Abend noch nicht wieder getrunken. Aber er kam oft, stand an der Bar und wachte über Garnet, als habe sie ihn zu ihrer Leibwache bestellt. Sie freute sich darüber. Jetzt bat er um ein Glas Wasser; und als sie es ihm brachte, ließ er den Blick über den Bartisch gleiten, richtete ihn dann wieder auf sie und schüttelte den Kopf. »Es gefällt mir gar nicht, Sie hier zu sehen, Miß Garnet«, sagte er.
    »Oh, Texas, mir geht es gut. Sorgen Sie sich nicht. Es geht mir wirklich gut.«
    »Belästigen die Kerle Sie nicht?«
    »Ach, nicht schlimm jedenfalls. Ich lerne es allmählich, sie zu behandeln und mit ihnen umzugehen.«
    »Miß Garnet«, sagte Texas, »ich wollte, Sie wären ganz aus Los Angeles heraus. Wir werden hier möglicherweise Unruhen bekommen. Es sieht nicht gut aus. Dieser verdammte Narr Gillespie –
    »Bitte, Texas, nicht hier.«
    Silky wünschte grundsätzlich nicht, daß der Name Gillespie an der Bar erwähnt wurde. Wenn es diesem oder jenem Soldaten eingefallen wäre, seinen Captain zu verteidigen, es wäre ihm gleichgültig gewesen; aber er wollte nicht, daß dergleichen in seinem Betrieb geschah. Die Konzession zur Führung der Bar war an die Bedingung geknüpft, daß es ruhig und ordentlich zuginge. Texas zuckte die Achseln, machte aber keine weiteren Bemerkungen. Mr. Bugs McLane betrat zusammen mit Mr. Collins, dem Clerk Mr. Abbott’s, das Lokal. Garnet goß ihnen ihre Drinks ein und äußerte sich anerkennend zu dem Versuch eines der Marine-Soldaten, einen mexikanischen Schlager zu singen, den er wahrscheinlich schon von Mazatlán her kannte. Plötzlich zuckte sie zusammen. Durch das trunkene Gegröl des Soldaten hindurch vernahm sie einen feinen, zarten Ton aus der Küche.
    »Stephen ist aufgewacht«, sagte sie zu Florinda. »Einen Augenblick, ich bin gleich wieder da.«
    Florinda nickte lächelnd, und Garnet huschte aus der Bar. Der Babykorb stand auf der Wandbank. Isabel hatte das Kind gerade herausgenommen. Garnet nahm es ihr ab, um es zu stillen. In leidenschaftlicher Aufwallung drückte sie den kleinen, weichen Körper gegen die Brust. Gott sei Dank, dachte sie, daß ich dich wenigstens habe! Sie hatte sich in die Umstände gefunden, aber zuweilen wurde sie von einer Woge der Einsamkeit geschüttelt; dann war der kleine Stephen ihr einziger Trost. Nachdem Stephens Hunger gestillt war, legte sie ihn in sein Körbchen zurück und trank eine Tasse Schokolade mit Isabel. Sie würde erst später, nach Schließung des Lokals, zusammen mit Silky und Florinda, zu Abend essen. Als sie wieder hinausging, nahm sie eine Tasse Schokolade für Texas mit.
    Silky hockte gerade über seinem Kontobuch, und Florinda war dabei, Collins und McLane neue Drinks einzugießen. Als Garnet die Tasse Schokolade vor Texas hinstellte und zufällig den Kopf wandte, erstarrte sie fast. Vor der Bar stand, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und die Hände um einen Whiskybecher geschlungen, – Charles Hale.
    Charles trug noch Trauerkleidung. Wie immer war er sehr elegant; sein Hemd war blütenweiß und der neben ihm liegende Hut war mit einer seidenen Kordel versehen. Im Gürtel steckten weiße, mit schwarzer Seidenstickerei verzierte Lederhandschuhe. Er machte ganz und gar den Eindruck eines wohlhabenden Mannes, aber es war ihm nun einmal nicht gegeben, imponierend auszusehen. Sein braungebranntes Gesicht hatte so viele Fältchen, daß Garnet unwillkürlich an einen Affen erinnert wurde, den sie einmal in Barnums Museum gesehen hatte. Seine Hände waren hart und knochig, die Adern standen auf dem Handrücken dick heraus. Wie ein Reptil, dachte Garnet. Und dann sah sie, wie damals, als sie ihn zum erstenmal erblickt hatte, seine Augen.
    Diese Augen, in tiefen Höhlen liegend, waren mit einem stechenden Ausdruck gerade auf sie gerichtet. Hohn und Verachtung lagen in dem Blick, der sie abtastete; Garnet hatte das

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