Kalifornische Sinfonie
verlief, wie es zunächst den Anschein hatte.
Zuerst sah alles sehr einfach aus. Kommodore Stockton sandte Frémont nach dem Norden, um dort unter den Yankees neue Rekruten zu werben. Und da Los Angeles vollkommen ruhig war, ging er selbst nach Yerba Buena, wo ihm zu Ehren eine Feier veranstaltet werden sollte. Er ließ Captain Gillespie vom Marine-Korps mit einer Besatzung von rund fünfzig Mann Marine-Infanterie in Los Angeles zurück.
Captain Gillespie hätte gut daran getan, sich bei den Yankees, die seit Jahr und Tag in Los Angeles Handel trieben, Rat zu holen, bevor er irgendwelche einschneidenden Maßnahmen traf. Sie würden ihm gesagt haben, daß er in keiner Weise befürchten müsse, die Angelesen würden der amerikanischen Herrschaft Widerstand entgegensetzen. Dies hier war eine der friedlichsten und friedliebendsten Gegenden der Erde. Ab und zu kam es vor, daß wild lebende Digger einsam gelegene Häuser überfielen. Dann zog eine Schar bewaffneter Männer hinaus und hielt ein Strafgericht unter den Diggern ab. Zuweilen geschah es, daß zwei Burschen sich eines Mädchens wegen schlugen. Oder ein Mann borgte sich irgendwo einen Sattel und vergaß ihn zurückzugeben. Aber all diese kleinen Streitereien konnten vom Alkaden ohne Schwierigkeit geschlichtet werden.
In der Ortschaft, die eine kleine Stadt war, wenn sie auch wie ein verkommenes Dorf aussah, lebten insgesamt nicht mehr als tausend Menschen. Aber es war eine fleißige und sehr geschäftige kleine Stadt; es war der Markt für die Rancheros aus dem Süden und die Endstation des Santa-Fé-Trecks. Außerdem war es der Mittelpunkt für den Häute-Handel. Die meisten der hier ansässigen Handelsunternehmungen befanden sich in Händen von Amerikanern. Die Angelesen waren der Arbeit nicht sonderlich zugetan, sie führten ein heiteres, geruhsames Leben und ihre Hauptbeschäftigung bestand im Reden. Sie hatten auch wenig Grund, sich zu beklagen. Frischfleisch war so billig, daß es ihre Hauptnahrung bildete. Diebstähle und bösartige Exzesse kamen nicht vor. Die meisten Häuser hatten nicht einmal Türschlösser. Das Leben in Los Angeles bestand aus wenig Arbeit und viel Wein, Tanz und Musik. Für die Angelesen waren das natürliche Gegebenheiten, die sie hinnahmen, ohne weiter darüber nachzudenken. Die Yankees hätten Captain Gillespie sagen können – und viele hatten ihr Möglichstes getan, es ihm klarzumachen –, daß seiner Kommandogewalt ein fröhliches, heiteres Volk anvertraut sei und daß alle diese Leute zweifellos auch weiterhin heiter und fröhlich bleiben würden, wenn man sie in Ruhe ließe.
Aber Gillespie hielt es wohl für unter seiner Würde, um Rat zu fragen, und dort, wo er ihm ungefragt zuteil wurde, überhörte er ihn. Er begann Befehle auszugeben, Befehle, welche die Leute zunächst in Erstaunen und schließlich in Erbitterung versetzten und gegen in aufbrachten. Captain Gillespie hielt es für richtig, in dieser die Freude liebenden Stadt gesellige Zusammenkünfte zu verbieten. Er ließ Privathäuser nach Feuerwaffen durchsuchen. Er dekretierte: Alkohol dürfe nur mit seiner Erlaubnis ausgeschenkt werden. Seine Landsleute warnten ihn eindringlich. Sie sagten ihm, er solle den Angelesen ihre Pistolen lassen; Pistolen seien hier draußen wichtiger als Schuhe. Sie sagten ihm, die Kalifornier würden auf ein Verbot, ihren geliebten roten Wein zu trinken, ebenso sauer reagieren, wie die amerikanischen Kolonisten auf die Teesteuer reagiert hätten. Er schenkte all diesen Warnungen keinerlei Beachtung. Gillespie wurde am letzten Tage des Monats August als Kommandant in Los Angeles zurückgelassen; Mitte September hatte er es schon so weit gebracht, daß die Leute murrten und sich demonstrativ abwandten, wenn sie einem Amerikaner auf der Straße begegneten. Die Angelesen betraten amerikanische Läden und Geschäfte nur noch, wenn es absolut unvermeidlich war. Auch Silkys eingeborene Boys kamen nicht mehr zur Arbeit.
Silkys Betrieb war von den befohlenen Einschränkungen nicht ausgeschlossen. Der Spielsalon war geschlossen worden, und die Bar durfte nur von mittags bis sechs Uhr abends offengehalten werden. Da die Angelesen einen großen Teil des Nachmittags zu verschlafen pflegten, bedeutete diese Beschränkung eine empfindliche Einbuße für das Etablissement. Kein Wunder, daß Silky und Florinda nicht weniger wütend waren als die Angelesen. Aber sie gehorchten dem Befehl, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, daß Gillespie die Bar
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