Kalifornische Sinfonie
dort gewesen, er habe in den vergangenen Monaten auf seiner und Johns Ranch nach dem Rechten gesehen. Die Nachrichten stammten von ein paar Yankee-Händlern, die eine Nacht auf seiner Ranch geschlafen hätten. Nachdem sie weggegangen seien, habe er sich einsam gefühlt. Seit zwei Wochen habe die Sonne am Himmel gestanden, die Wege seien wieder passierbar gewesen, und da habe er sich also aufgemacht, um hierher zu reiten und sich nach seinen Freunden umzusehen.
Nikolai Grigorievitch brachte Doña Manuela eine Perlenkette mit, die sie sogleich umlegte. Sie strahlte vor Stolz und Zufriedenheit, watschelte zu den Kochstellen im Freien hinüber und ließ den Gast mit Garnet, Florinda und ihrem Gemahl in einem der äußeren Höfe zurück. Während Nikolai sich damit beschäftigte, eine Flasche Wein zu leeren, erzählte er den Lauschenden, was er über die Ereignisse im Süden wußte.
Die beiden Yankee-Händler, von denen er gesprochen habe, seien Teufelswanze und Tick-Tack gewesen, sagte er, die Damen würden sich gewiß noch an sie erinnern. Doch ja, der Maulesel-Treck sei wie immer nach Santa Fé gegangen; im vergangenen Frühjahr, während Garnet auf Charles’ Ranch krank gelegen habe, sei er von Los Angeles aufgebrochen; damals habe ja auch noch kein Mensch an den Krieg gedacht. Der Treck sei schon in der Nähe von Santa Fé gewesen, als die Sache anfing.
Der Krieg hatte den Handel nicht sonderlich beeinträchtigt. General Kearny hatte Santa Fé mit geringer Mühe erobert. Der Gouverneur von Neu-Mexico, der fette Armijo, hatte zwar furchtbar viel Wind gemacht und großsprecherisch angekündigt, wie er die Amerikaner zu Paaren treiben wolle, aber kaum war der erste uniformierte Yankee am Horizont aufgetaucht, da hatte er sich auch schon aus dem Staube gemacht. Er hatte alles mitgenommen, was ihm gehörte, und dazu eine ganze Menge, was ihm nicht gehörte. Wie Teufelswanze und Tick-Tack dem Russen Nikolai versicherten, hatte ihm kein Mensch eine Träne nachgeweint.
General Kearny hatte die Provinz dann sehr schnell durchorganisiert und eine großzügig arbeitende Verwaltung einsetzen lassen. Nicht lange danach gab es eine große Sensation. Es stellte sich nämlich heraus, daß die Missouri-Waren, welche die Santa-Fé-Händler mitbrachten, jetzt außerordentlich viel billiger waren als jemals zuvor. Der Grund war einfach genug: Neu-Mexico war jetzt ein Glied der USA und Armijos Zölle fielen weg.
Nun also saßen die Amerikaner in Los Angeles. Alle Yankee-Einwohner waren in die Stadt zurückgekehrt, der Ort war wieder offen für den Handel und, ebenso wie in Santa Fé, würden auch hier zukünftig keine Raubzölle mehr auf amerikanischen Waren liegen. »Dann brauchen wir also keinen Whisky mehr zu schmuggeln«, rief Florinda. »Haben Sie etwas über Silky erfahren? Ist die Bar wieder geöffnet?«
Ja, die Bar sei wieder offen, versetzte Nikolai Grigorievitch. Teufelswanze und Tick-Tack seien dort gewesen, und Silky habe gesagt, er hoffe, die beiden Mädchen kämen bald wieder zurück. Es war klar: Jetzt, wo Los Angeles voller Yankee-Soldaten steckte, mußten Garnet und Florinda ihm wertvoller sein als jemals zuvor. »Und Micky?« fragte Florinda.
Die Männer hatten auch Micky gesehen. Aber an andere Einzelheiten, nach denen er gefragt habe, hätten sie sich nicht mehr erinnern können, erklärte der Russe. Sie hätten sich nur verhältnismäßig kurze Zeit in Los Angeles aufgehalten, um dort ihre Handelsgeschäfte abzuschließen, und seien dann ins Land hinausgeritten, um Maulesel für die nächste Reise zu kaufen. In der Regel pflegten die Händler ihren Maultierbedarf schon im Winter zu decken, in diesem Jahr hatte der Krieg sie daran gehindert, deshalb hatten sie keine Zeit zu verlieren, denn der neue Frühling stand schon vor der Tür.
Garnet saß auf der Bank unter dem Olivenbaum und starrte auf den schimmernden roten Spiegel in ihrem Weinbecher. Nikolai erzählte Mr. Kerridge eben, daß die Maulesel in diesem Jahr einen guten Preis erzielen würden; es seien sehr viele Tiere durch Raub und Kriegshandlungen draufgegangen. Mr. Kerridge und Florinda hatten viele Fragen zu stellen. Garnet fragte nichts. Die einzige Frage, die sie interessierte, blieb ihr im Halse stecken.
Wo ist John? Silky und Micky und Maulesel – oh, mein Gott! – was ging sie das alles an? Wo ist John? Sie konnte nicht fragen. Sie kam sich ob ihrer geheimen Angst wie eine Närrin vor, aber sie brachte es gleichwohl nicht fertig, zu fragen.
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