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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Die kleinen grauen Blätter des Olivenbaumes über ihr raschelten im Wind.
    »Hören Sie, Nick, was macht John eigentlich? Das Letzte, was wir von ihm hörten, war der Brief, den Sie Garnet brachten. Damals schrieb er, er habe sich den USA-Truppen als Führer und Dolmetscher zur Verfügung gestellt.« Das war Florinda.
    »John ist meines Wissens in Los Angeles«, sagte Nikolai Grigorievitch. »Teufelswanze und Tick-Tack haben ihn bei Mr. Abbott getroffen.« Der Gong rief zum Mittagessen, und Nikolai sprang auf. »Da!« rief er, »habt ihr gehört? Ah, ich bin hungrig.«
    »Das ist weiter nicht aufregend«, stellte Florinda fest. »Sie sind immer hungrig. Hören Sie gefälligst noch eine Minute zu, Sie Freßsack. Warum macht John nicht Schluß mit seiner Tätigkeit bei den Soldaten und kommt, um uns nach Los Angeles zu bringen? Wenn meine Bar offen ist, will ich auch da sein.«
    Sie waren unterdessen zum Eßzimmer gegangen. Nikolai Grigorievitch blickte von seiner gewaltigen Höhe auf die drei anderen herab und lächelte.
    »John hat gesagt, er würde kommen, sobald er die Straßen für sicher halte«, sagte er; »also wird er es auch tun.«
    Also wird er es auch tun! wiederholte Garnet in Gedanken. Wie viele Männer konnten wohl mit so ruhiger und absoluter Sicherheit von ihren Freunden sprechen! Unwillkürlich mußte sie lächeln, während sie ihren Platz an der langen Tafel einnahm. Nikolai Grigorievitch sah sie an und lächelte zurück.
    ***
    Zehn Tage später traf John auf der Ranch ein. Es war ein sonniger Nachmittag. Garnet hatte sich nach der Siesta angekleidet und war mit ihrem Handarbeitskorb ins Freie gegangen, während Florinda eine neue Frisur ausprobierte. Sie hatte ihren Schal beinahe fertig. Doña Manuela sah mit wachsendem Vergnügen die Fortschritte. Die Tür ihres Zimmers ging auf den Korridor, von dem aus man auf den Mädchenhof gelangte. Garnet und Florinda gingen freilich nicht oft auf diesen Hof. Florinda hätte lieber eine Stunde in der Wüste zugebracht, als sich freiwillig an einen für Männer gesperrten Ort zu begeben. Garnet kamen solche Gedanken zwar nicht, aber auch sie war nicht gern allein. Deshalb ging sie jetzt durch eine Seitentür in einen der offenen Höfe.
    Die Luft war frisch und klar, der Himmel strahlend blau und die Erde unwahrscheinlich grün. Auf den nahegelegenen Bergen wuchs der Chaparral in dichten Büschen; hier und da standen Kreuzdornbüsche in weißer Blütenpracht. Neben dem dunklen Grün des Chaparral wirkten die Sträucher wie große flockige Gebilde von Seifenschaum. In der Ferne hoben sich die weißen Schneegipfel der Berge klar gegen den tiefblauen Himmel ab.
    Garnet stand einen Augenblick still, um die Schönheit der Landschaft auf sich wirken zu lassen, als sie das Geräusch klappernder Pferdehufe und rufender Männerstimmen vernahm. Und unter den Stimmen hörte sie sofort eine einzelne heraus: Johns Stimme. John hatte keineswegs geschrien – sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals schreien gehört zu haben –, aber sie hatte zu lange auf diese Stimme warten müssen, um sie nicht sogleich von anderen zu unterscheiden. Sie hob die Röcke und lief, das Handarbeitskörbchen am Arm, durch das hohe Wintergras. Keinem Menschen in Kalifornien fiel es ein, das Gras zu beschneiden, und nach dem Regen sah es manchmal so aus, als wüchse es mindestens einen Zoll in der Nacht. Garnet lief und stolperte und lachte, lief um das Haus herum und sah John.
    John war eben erst aus dem Sattel gestiegen; seine Boys hatten noch nicht begonnen, die Packpferde abzuladen. Es wußte noch niemand im Haus, daß er da war, außer ihr selbst und einem Boy, der, vor der Haustür sitzend, geschlafen hatte, als die Reiter kamen. Dieser Boy stand jetzt gähnend auf und ging ins Haus, um die Ankunft von Mr. Ives zu melden. John wandte sich einem seiner Boys zu und erblickte Garnet. Er brach seinen Satz in der Mitte ab und kam mit langen Schritten schnell auf sie zu.
    John trug ein altes kariertes Wollhemd, farblose Hosen und schwere Reitstiefel; wie gewöhnlich nach einem langen Ritt, waren Wangen und Kinnbacken mit schwarzen Bartstoppeln bedeckt. Er war über und über mit Schlamm bespritzt. In seinem tiefdunklen Gesicht schimmerten die Zähne weiß, und seine Augen funkelten wie Florindas Aquamarin. Er nahm Garnets beide Hände und hielt sie fest.
    »Wie gut, Sie wiederzusehen«, sagte er leise.
    »Oh, John, ich bin so froh, daß Sie da sind!« rief Garnet. Ein etwas hilfloses Lächeln

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