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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Als sie sich zurückzogen, begann das Orchester eine neue Melodie zu spielen. Dann setzte langsam anschwellender Trommelwirbel ein. Es war, als würde durch einen Herold ein Ereignis von außerordentlicher Wichtigkeit angekündigt. Und obgleich die Bühne noch immer leer war, begann jetzt stürmischer Applaus einzusetzen.
    Die Zuschauer schienen zu wissen, daß jetzt das Eigentliche komme. Alles Bisherige schien nur ein Vorspiel gewesen, amüsant und unterhaltend, aber nicht weiter wichtig. Garnet sah auf ihr Programm. Wieder las sie: J ULIETTE LA T OUR.
    Der Trommelwirbel verstärkte sich und wurde zum Donner. Alle Instrumente setzten verstärkt ein. Und mit dem Anschwellen der Musik wuchs auch der Applaus. Alle Zuschauer saßen vornübergeneigt und starrten fasziniert auf die Bühne. Der Vorhang glitt leicht auseinander. In der Öffnung erschien eine große, schlanke Person, eine lachende junge Frau mit leuchtend weißblondem Haar und blauen Augen, die fast so groß wie Zehncentstücke schienen. Sie trug ein raffiniert geschnittenes Kleid aus schwarzem, silberdurchwirktem Samt.
    Alle Hände bewegten sich im Takt; der Applaus dröhnte. Garnet beugte sich weiter nach vorn und starrte auf die Frau. Sie hatte nie etwas annähernd Ähnliches erblickt.
    Das Mädchen auf der Bühne war schön, aber sie war nicht nur schön; ihr Wesen strahlte eine so sprühende Vitalität aus, daß man versucht war, aufzustehen und ihr zuzuwinken. Sie war prachtvoll gewachsen; das schwarz-silberne Kleid ließ keinen Zweifel daran offen. Ihr Haar war so hell und schimmerte in einem so seidigen Glanz, daß es schlechthin unwahrscheinlich wirkte; als sei es aus Mondstrahlen gebildet. Alles an dieser Frau glänzte und schimmerte: das Haar, die zarte Haut und die langen silbernen Handschuhe, die eigens dazu bestimmt schienen, die Blicke der Zuschauer auf ihre blendendweißen Schultern zu lenken. Sie trug einen funkelnden Diamantanhänger am Hals. Auch im Haar, an Armreifen und an den silbernen Handschuhen funkelten Diamanten. Die Steine waren so klein, daß sie sehr wohl echt sein konnten. Ein warmer, verführerischer Zauber ging von diesem silberblonden Wesen aus, dazu ein Hauch unschuldiger Frische, ganz so, als wüßte sie, daß sie dazu geboren sei, Freude zu verbreiten und habe selbst die größte Freude daran, ihre angeborene Berufung zu erfüllen.
    Sie stand eine Weile reglos und ließ sich lachend bewundern. Dann tat sie ein paar tastende Schritte zur Rampe und streckte dem Publikum beide Arme entgegen. Dabei strahlte sie eine jubelnde Freude aus, ganz so, als sei sie eben im Begriff, einen Geliebten zu umarmen, den sie lange erwartet habe. Das Publikum raste, klatschte und schrie und stampfte vor Begeisterung mit den Füßen. Wäre sie jetzt auf den Gedanken gekommen, etwas zu sagen, kein Mensch hätte in dem tobenden Lärm auch nur ein Wort verstehen können. Aber sie sagte nichts, sie stand da und lachte und strahlte und warf Kußhände in den Saal. Ihre silbernen Handschuhe funkelten, ihr blondes Haar schimmerte im Licht gleichfalls wie Silber; es war, als riefe sie: ›Ich liebe euch! Oh, ich liebe euch! Wir werden eine glückliche Zeit miteinander haben!‹
    Das Orchester wechselte jetzt in eine schnelle trippelnde Melodie über. Das Wesen auf der Bühne machte eine Geste, als erbäte es Verzeihung, und das Publikum, aufnahmebereit nun, begann sich zu beruhigen. Die Blonde begann sich im Takt der Musik leicht zu wiegen und zu singen. Die Worte kamen wie selbstverständlich aus ihrer Kehle, stiegen auf wie Blasen und reihten sich wie Perlen einer Kette aneinander. Sie sang:
    »Hört, ich liebe das Leben – die Freude macht frei!
Und ich will was erleben, eh’ die Jugend vorbei!«
    Die Stimme, mit der sie sang, war nicht weiter bemerkenswert, aber sie trug gut und erfüllte das Theater bis zum letzten Platz. Sie sang in einer mittleren Tonlage und hatte ihre Möglichkeiten gut im Gefühl; sie versuchte nie, sie zu überschreiten. Bemerkenswert war, wie sie sang; sie lachte dabei, das ganze Mädchen schien zu lachen, und sie sang so deutlich und klar, daß jedes Wort zu verstehen war. Und die Menschen im Saal gingen mit; sie liebten es augenscheinlich, sie singen zu hören.
    »Nie bereu’ ich die Stunden, die glücklich mich sah’n;
Ich bereu’ nur die Taten, die nie ich getan!«
    klang es von der Rampe herab. Garnet dachte: es werden nicht sehr viele Taten sein, die sie zu bereuen hat. Das Mädchen auf der Bühne indessen

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