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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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schien deren eine ganze Menge zu kennen. Sie sang augenzwinkernd:
    »All die Tänze, die ich zu tanzen versäumt,
All die Männer, von denen ich niemals geträumt,
Die Nächte, die nähend allein ich verbracht,
Die Drinks, die mich niemals berauscht in der Nacht,
Die Zeit, die vertan ohne Liebe und Wein, –
Jede Stunde klagt an, da ich traurig allein!«
    Garnet begann zu lachen. Die Chorgirls hatten sie schockiert; diese Sängerin schockierte sie sonderbarerweise nicht im geringsten. Dieses Mädchen steckte so voller Frohsinn und Freude, daß man ihr unmöglich böse sein konnte. Sie lebte das Leben, das in ihr war; sie nützte die Möglichkeiten, die ihr gegeben waren, und sie nützte sie wunderbar. Der Rhythmus der Musik veränderte sich etwas; die Sängerin lüpfte ihren Rock, aber eben nur so weit, daß die Fesseln sichtbar wurden und die Zuschauer nicht von ihrem Gesang abgelenkt wurden. Sie sang:
    »Meine Mutter sprach immer:
Habe acht nur, mein Kind!
Denn du ahnst ja noch nicht,
wie schlecht Männer sind.
Ach, ich glaubte und fand mich so selten bereit;
Darum hol’ ich jetzt nach die verschwendete Zeit!«
    Singend begann sie zu beklagen, was für ein schüchternes Mädchen sie gewesen sei. Dann aber wandte sich der Song ihren Abenteuern zu, immer in dem gleichen melodiösen Rhythmus, heiter, beschwingt, vibrierend vor innerer Fröhlichkeit. Einige Ausdrücke, die sie gebrauchte, waren Garnet völlig neu, aber es gehörte wenig Phantasie dazu, sie sich zu deuten. Die blonde Sängerin wußte ihre Augen und ihre Hüften überzeugend zu gebrauchen. Ein Chinese hätte verstanden, was sie sang. Der Saal tobte vor Begeisterung. Viele der Anwesenden schienen den Schlager von früheren Vorstellungen her zu kennen, denn sie sangen den Refrain jedesmal mit; dazu trampelten sie mit den Füßen, klatschten mit den Händen den Takt und stießen mit den Gläsern aneinander, bis Stimmen aus dem Publikum laut wurden, die sich Ruhe erbaten. Das Benehmen der von dem Schwung der Sängerin Hingerissenen nahm hier und da pöbelhafte Formen an; das blonde Wesen auf der Bühne aber ließ sich nicht verwirren wie vorher das Tanzgirl. Mühelos hielt sie ihre Zuhörer im Bann. Zweifellos war sie eine strahlende Verführerin, aber sie beherrschte auch ihr Metier, sie wußte jederzeit genau, was sie tat, und sie tat es so gut und so sicher, daß Garnet aus dem Lachen gar nicht herauskam. Es war, als sei ein Funke über die Rampe gesprungen und habe bei der jungen Frau da unten gezündet. Als die Sängerin schließlich ihren Part beendet hatte und abtrat, klatschte Garnet so heftig, daß ihre Handflächen brannten.
    Auch Oliver lachte. Er beugte sich über den Tisch und flüsterte ihr zu: »Es scheint dir zu gefallen. Ist es das, was du wolltest?« Oben war die Blonde zurückgekommen. Sie stand an der Rampe und dankte für den Applaus.
    Garnet sah Oliver mit einem strahlenden Lachen an. »Ja«, sagte sie, »ja, Oliver, ja, ja! Nur – ich wußte nicht, ich ahnte ja nicht, daß Varietékünstlerinnen so – entzückend sein können.«
    »Die meisten sind auch nicht so«, versetzte Oliver.
    Die Sängerin verließ die Bühne, kam aber noch mehrmals zurück, und schließlich sah sie wohl ein, daß das Publikum keine Ruhe geben würde, bis sie sich zu einer Zugabe entschlösse. Sie trat zwischen die Vorhänge und gab dem Orchester ein Zeichen. Die bekannte Melodie klang auf, und die Blonde sang:
    »Wenn die Prediger sagen: Was tust du? Halt ein!
Dann sag’ ich: Ach kommt doch mal selbst hier herein.
Und seht, wie mein Publikum jubelt und lacht.
Dann wißt ihr, daß Freude und Lust glücklich macht.«
    Sie warf Kußhändchen in den Zuschauerraum und fuhr mit klingendem Lachen zu singen fort:
    »Die nettesten Leute trefft immer ihr dann,
Wenn leer grad der Beutel und die Sorge begann.«
    Sie wandte sich, winkte ein Lebewohl und endete, über die Schulter hinweg singend:
    »Ich hab’s mir geschworen: Ich sag’ nie mehr nein.
Ich liebe das Leben und will glücklich sein!«
    Als sie schließlich hinter dem Vorhang verschwunden war – der Applaus dauerte noch immer an –, wandte Garnet sich Oliver zu und bat ihn, ihr mit dem Kopf näher zu kommen. »Oliver«, flüsterte sie dann, »diese Künstlerin – ist das – eine – eine gefallene Frau?«
    Es war dies der einzige Ausdruck für irgendwie zweifelhafte Frauen, der ihr geläufig war. Oliver unterdrückte mit Mühe ein leises Lachen.
    »Ja«, sagte er dann, »das ist sie

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