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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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noch beendet war. Das Klatschen und Trampeln der vor Begeisterung Rasenden mischte sich mit der Musik und mit lauten Bewunderungsrufen. Garnet saß in ihrem Sessel dicht vor der Bühne wie verzaubert.
    In ihr war eine Stimme, die ihr sagte, daß sie empört sein und Anstoß nehmen müsse. Aber sie war nicht empört. Oliver hatte ihr gesagt, was diese Frau war; er hatte keinerlei Zweifel in ihr aufkommen lassen. Er hatte das treffende Substantiv gebraucht, aber auch das treffende Adjektiv vorangestellt. Sie war sicherlich erstklassig, sie war großartig und unwiederholbar, diese Frau.
    Der Tanz auf der Bühne ging weiter. Wäre es nach den Zuschauern gegangen, er hätte endlos weitergehen können. Aber er ging schließlich zu Ende; die Tänzerin verschwand hinter den Kulissen. Hatte sich der Enthusiasmus des Publikums schon vorher geräuschvoll genug geäußert, so machte sich die allgemeine Begeisterung nunmehr in einer förmlichen Explosion Luft. Garnet seufzte vor Entzücken. Diese gottlose, diese entsetzliche, diese wunderbare Tänzerin, diese schreienden, tobenden, klatschenden und trampelnden Menschen, der Saal, die Bühne, der Champagner – das alles zusammen war Leben.
    Juliette kam noch einige Male zurück und machte ihren Knicks. Aber auf alle Zurufe, doch noch einmal zu tanzen, noch einmal zu singen, lachte sie nur und schüttelte schweigend den Kopf. Ihre Lachen klang fröhlich und unbekümmert; der Schalk blitzte in ihren Augen; es war, als wollte sie sagen: Ihr habt nun genug gesehen für euer Geld, wollt ihr mehr, dann kommt morgen wieder! Der Vorhang schloß sich zum letzten Male. Der Abend im ›Blumengarten‹ war zu Ende.
    Fünftes Kapitel
    Garnet war von der Vorstellung zu aufgeregt gewesen, um zu essen. Nun aber hatte sie Hunger. Oliver meinte, dem sei abzuhelfen. In ihrem Hotel werde in einem besonderen Zimmer auch späten Gästen noch ein Souper serviert.
    Als sie die Hotelhalle betraten, händigte ein Boy Garnet ein schmales Päckchen aus, mit der Bemerkung, es sei am Nachmittag für sie abgegeben worden.
    »Was hast du denn da?« fragte Oliver, während sie, schon am Tisch sitzend, die Verschnürung löste.
    »Ein Buch mit Stahlstichen«, antwortete Garnet, »ich habe es heute vormittag gekauft.«
    »Und was willst du mit Stahlstichen auf dem Kalifornienpfad anfangen?« grinste Oliver.
    Sie blätterte in dem Buch. »Muß denn alles, was man tut, zweckmäßig sein?« sagte sie. »Ich habe in dem Antiquariat ein bißchen herumgestöbert, der Buchhändler war ein reizender alter Mann; ich wollte nicht gern fortgehen, ohne eine Kleinigkeit zu kaufen. – Ich möchte gern Krebs essen«; setzte sie hinzu, als der Kellner, ein Neger, sich dem Tisch näherte.
    Oliver bestellte einen Krebs für sie und eine Tasse Kaffee für sich. Das Gericht wurde schnell serviert. Garnet hatte eben zu essen begonnen, als Oliver aufsprang. Er hatte durch die halboffene Tür zur Halle zwei seiner Angestellten erblickt. Dabei fiel ihm ein, daß an diesem Nachmittag das Pökelfleisch angekommen war, das am nächsten Morgen als erstes verladen werden mußte. Es war notwendig, sich für den ersten Teil der Reise mit Fleisch zu versorgen, denn erst nach dem Council Grove würden sie auf Büffel stoßen und für Frischfleisch sorgen können. Wenn er den Leuten jetzt seine Anweisungen gab, brauchte er am Morgen nicht so früh heraus. Er sagte: »Würdest du eben mal allein essen? Ich möchte noch ein paar Verladeanweisungen geben.«
    Garnet hatte nichts dagegen, und Oliver ging in die Halle. Während Garnet sich mit ihrem Krebs beschäftigte, verließen die wenigen Gäste, die noch hier gesessen hatten, den Raum und sie blieb mit dem Negerkellner allein zurück. Als sie mit dem Essen fertig war, nahm sie das Buch mit den Stahlstichen zur Hand und blätterte darin.
    Auf den einzelnen Blättern des Bändchens waren Mädchen in phantastischen Gewändern abgebildet, darunter standen nicht weniger phantastische Namen: Esmeralda, Melisande, Mignonette, Florinda und ähnliche. Garnet las mit leiser Verwunderung die Namen und fragte sich, ob es wohl Frauen und Mädchen gäbe, die in der Wirklichkeit mit solchen Namen herumliefen.
    Als ein Schritt sich der Tür näherte, sah Garnet auf; sie dachte, Oliver käme zurück. Aber dann hörte sie das Rauschen seidener Röcke, und als sie sich umblickte, verhielt sie unwillkürlich den Atem. Die Person, die eben zur Tür herein gerauscht kam, war die silberblonde Varietékünstlerin aus dem

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