Kalifornische Sinfonie
Verblüffung wie schon am vergangenen Abend. Nach einem Weilchen sagte er:
»Wissen Sie, daß sie mich beträchtlich verwirren?«
»Wieso?« Sie lachte ihn an. »Vielleicht habe ich gar nichts dagegen. Aber wieso verwirre ich Sie?«
»Aus einem bestimmten Grunde«, versetzte Brown. »Sie erinnern mich an jemand, und ich kriege nicht zusammen, an wen. Und außerdem noch etwas. Ich gedenke Ihnen keine unnützen Fragen zu stellen, aber wenn ich Ihnen einmal irgendwie behilflich sein kann, lassen Sie es mich wissen.«
Sie sah ihn überrascht an. »Oh«, sagte sie, »ich danke Ihnen. Aber ich weiß nicht, ob ich ganz verstehe, was Sie meinen.«
»Dann werde ich es Ihnen sagen«, entgegnete Brown. »Ich möchte mich nicht in Dinge mischen, die mich nichts angehen. Aber ich habe den Eindruck, ja, es scheint mir offensichtlich, daß Sie nicht hierher gehören.«
Garnet sah vor sich hin auf die Thekenplatte. Seine Art, ihr begreiflich zu machen, sie befinde sich offensichtlich am falschen Ort, war sehr verschieden von der anderer Männer, die ihr das gleiche versichert hatten. Sie wußte nicht, was sie ihm antworten sollte. Aber Captain Brown wartete augenscheinlich auf eine Äußerung von ihr. So sagte sie schließlich, ohne aufzublicken:
»Warum meinen Sie, daß ich nicht hierher gehöre?«
»Schon Ihre Art zu sprechen verrät es«, erwiderte er. »Die Gewohnheit, sich gut auszudrücken, ist ebenso schwer abzustreifen, wie sie von jemand, der nicht von Kindheit an daran gewöhnt wurde, zu erlangen ist.« Er machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: »Sollte ich jetzt schon zuviel gesagt haben, so vergeben Sie mir bitte. Ich weiß nichts von Ihnen und will auch nicht versuchen, etwas aus Ihnen herauszuholen. Allein, ich finde, Sie sind hier an einem heiklen Ort, und wenn ich Ihnen irgendwie helfen könnte, würde ich es gerne tun.«
Nun hob sie die Augen. Er hatte sie um keine Erklärung gebeten und erwartete wohl auch keine, aber nun wollte sie selbst sie ihm geben. Sie sagte:
»Ich danke Ihnen, Captain Brown. Ich bin mit meinem Mann nach Kalifornien gekommen. Er starb vor einiger Zeit, und ich konnte allein bisher nicht nach Hause zurück. Ich arbeite hier, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist alles.«
Er war im Begriff, zu antworten, als Garnet sah, daß einige Zivilisten auf sie warteten und allgemach ungeduldig wurden, daß diese Pest von einem Offizier das Barmädchen mit Beschlag belegte. »Sie müssen mich zunächst einen Augenblick entschuldigen«, sagte sie und wandte sich den Ungeduldigen zu. Als sie die Wünsche der Männer erfüllt hatte, sah sie, daß Brown immer noch an seinem Platz stand.
Sie wandte sich ihm zu und lachte ihn an. »Meinten Sie wirklich, was Sie mir vor einer Minute sagten?« fragte sie.
»Gewiß meinte ich es.«
»Ich hätte vielleicht eine Bitte an Sie. Verlange ich zuviel, dann sagen Sie es mir. Ich denke mir, daß die Armee einen Kurierdienst nach den Staaten unterhält. Würde es möglich sein, auf diesem Wege meinen Eltern eine Nachricht zukommen zu lassen? Ich hätte ihnen gern mitgeteilt, daß ich gesund bin und daß es mir gut geht.«
Captain Brown zog ein Notizbüchlein und einen Bleistift aus der Tasche. »Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte er. »Würden Sie mir die Adresse Ihrer Eltern sagen?«
»New York. Mr. und Mrs. Horace Cameron.«
»Was?« Brown ließ den Bleistift fallen und starrte sie an. »Natürlich«, sagte er mit einer Stimme, die seine Verblüffung verriet, »natürlich. Nun weiß ich, an wen Sie mich erinnerten. An Mr. Cameron.«
Garnets Augen wurden groß vor Erstaunen. »Sie kennen meinen Vater?« flüsterte sie.
»Gewiß kenne ich ihn. Ich sah ihn zuletzt in der Bank, eine Woche bevor wir New York verließen. Er zeigte mir einen Brief von Ihnen. Er muß von Ihnen gewesen sein. Sind Sie Mrs. Hale?«
Sie nickte, noch immer unfähig, zu sprechen. Captain Brown fuhr fort: »Aber er wußte nicht, daß Sie Ihren Mann verloren haben. Er erwartete eine Nachricht, daß Sie demnächst mit ihm zurückkämen. Der Brief war geschrieben, gleich nachdem Sie in Kalifornien ankamen. Sie beschrieben darin die Landschaft –; er brach ab und stieß ein kleines, um Entschuldigung bittendes Lachen aus –, »aber natürlich wissen Sie selbst, was Sie geschrieben haben.«
Garnet zuckte zusammen. Wie gut sie das wußte! Das war der Brief, den sie geschrieben hatte, kurz nachdem sie auf der Hale-Ranch angekommen war. Da war sie noch entschlossen,
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