Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
– eine Ehre«, keuchte er, »eine große Ehre, Miß Garnet. Bitte!«
    »Es ist gut, Texas«, flüsterte sie, »möge Gott es Ihnen lohnen.«
    »Ich danke Ihnen, Miß Garnet«, hauchte Texas und sank ächzend auf das Kissen zurück.
    Garnet fühlte sich von den widerstreitendsten Empfindungen hin und her gerissen. Vorhin, als Charles vor ihr gestanden hatte, mit seinem höhnischen Gesicht und seinem Triumphlächeln, hatte sie nicht für den Bruchteil einer Sekunde gezweifelt – jetzt? Sie wußte nicht, was jetzt war. Sie wußte nur, wenn Texas sich irrte, wenn er nicht sterben mußte, sie würde ihn nicht für sich büßen lassen. Mußte er sterben, so mochte er den Makel, den er eine Ehre genannt hatte, mit ins Grab nehmen. Charles hatte sie bereits verklagt, der Oberst hatte schon einen Befehl ausgeschrieben, ihm ihr Kind zu überliefern. Wenn jetzt bekannt würde, daß sie ihn erschossen hatte, würde der Oberst gewiß dafür sorgen, daß sie Stephen nie mehr zu Gesicht bekam. Sie stand schwer atmend auf; ihre Arme, die so lange das Kind getragen hatten, schmerzten. Estelle hatte es anscheinend fertigbekommen, für Ordnung im Hause zu sorgen. Die Mädchen und die Straßenpassanten standen nicht mehr vor der Tür. Sie hatten den Weg für einen Mann in blauer Uniform freigegeben. Als er im Türrahmen erschien, traten die beiden Soldaten beiseite, um ihn eintreten zu lassen. Die durch die Ritzen der Fensterläden hereinfallenden Sonnenstrahlen trafen gerade sein Gesicht; Garnet stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie erkannte Captain Brown.
    Sie hörte einen der Soldaten sagen: »Jawohl, Sir, es ist Mr. Charles Hale. Jawohl, Sir, er ist tot. Zwei Schüsse wurden abgegeben. Er hatte uns aufgefordert, an der Haustür zu warten; wir haben die Vorgänge nicht beobachtet. Der Mann im Bett sagt, er habe geschossen. Hier ist seine Waffe.«
    Captain Brown trat ins Zimmer. Er schien in keiner Weise überrascht, Garnet vorzufinden. Er verbeugte sich vor ihr höflich wie immer und sagte: »Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Hale, ich möchte zunächst mit dem Mann da sprechen.«
    In ihr stieg eine Welle der Dankbarkeit auf: Er stand auch jetzt noch zu seinem Versprechen, er tat immer noch so, als kenne er Texas nicht. Sie mußte beiseitetreten, um Captain Brown an das Bett zu lassen. Ihr Rock streifte den am Boden liegenden Körper; sie sah schaudernd auf ihn herab. Er lag mit dem Gesicht nach unten. Eine Hand streckte sich ihr entgegen, und diese Hand hielt noch immer das zusammengefaltete Stück Papier, von dem er gesagt hatte, es enthalte den Befehl des Stadtkommandanten, ihm das Kind auszuhändigen. Wegen dieses Papiers hatte sie geschossen. Charles war tot, aber dieser Befehl konnte immer noch in Kraft sein.
    Sie sah sich um. Captain Brown hatte sich zu Texas hinuntergebeugt, um zu hören, was er sagte. Die Soldaten standen in der Tür mit abgewandten Gesichtern, um die noch immer im Flur stehenden Menschen zurückzuhalten. Niemand beobachtete sie im Augenblick. Sie bückte sich blitzschnell, nahm dem Toten das Papier aus der Hand, zerknüllte es und steckte es in ihren Hemdausschnitt. Stephen schrie fürchterlich. Sie sank auf der Wandbank nieder und streichelte ihn. Langsam beruhigte er sich; er lehnte das Köpfchen an ihre Brust und schluckte nur dann und wann noch einmal schmerzlich. Garnet hörte Texas’ hohle Stimme. Das Reden schien ihn ungeheure Anstrengung zu kosten. Er mußte nach jedem Wort eine Pause einlegen.
    » würde gehängt werden – wahrscheinlich. Aber – wenn ihr – mich – hängen wollt –, müßt ihr euch – beeilen –; denn – sehen Sie doch – ziehen Sie die Decke weg.«
    Captain Brown lupfte vorsichtig die Bettdecke und starrte entsetzt auf den Anblick, der sich ihm bot. Garnet unterdrückte mit Mühe einen Schrei. Bei der heftigen Bewegung, mit der er ihr den Revolver entrissen hatte, mochte eine seiner furchtbaren Verletzungen wieder aufgebrochen sein; jedenfalls schwamm der ganze Körper in einer Blutlache, die sich langsam ausbreitete und die ganze Matratze durchtränkte. »Um Gottes willen!« rief Garnet, »besorgen Sie einen Arzt!«
    »Ja«, flüsterte der Captain erschüttert, »ja gewiß. Aber zunächst brauche ich etwas, um das Blut zum Stehen zu bringen.« Er sah sich um; das Bett hatte kein Laken. »Geben Sie mir einen Ihrer Unterröcke«, raunte er, »schnell, es ist jetzt nicht der Augenblick, verschämt zu tun.«
    Garnet setzte Stephen auf den Fußboden. »Stellen Sie

Weitere Kostenlose Bücher