Kalifornische Sinfonie
Hauses vertraut. Sie war sehr darauf bedacht, sich wie eine junge Dame aus gutem Hause zu benehmen; und es vergingen auch nur wenige Tage, da hatte sie die ganze Zuneigung der Señora gewonnen. Die Señora hatte nunmehr auch nichts mehr dagegen einzuwenden, daß sie sich während der meisten Zeit in Johns Schlafzimmer aufhielt; sie verzichtete auch darauf, ihr eine Dueña oder ein Mädchen mitzugeben, um die Gewähr zu haben, daß hier nichts Sittenwidriges vor sich ginge. Sie ließen freilich selbst die Tür offen stehen, wenn sie beieinander waren; aber da außer Nikolai Grigorievitch niemand im ganzen Hause ein Wort Englisch sprach, konnten sie frei und offen miteinander sprechen, ohne sich im geringsten genieren zu müssen.
Ob sie ihn denn nun haben wolle? fragte John.
»Ja«, antwortete Garnet, »ich will. Und du brauchst mir auch nichts zu versprechen. Ich weiß nun, daß man sich für Zukünftiges nicht verbürgen kann. Wir werden heiraten, John. Liebesaffären nach Art von Florinda mag ich nicht.«
»Wann habe ich dir denn so etwas zugemutet?« lachte John. »Daß du ohne Heirat nicht zu haben sein würdest, war mir von vornherein klar.«
»Sollten wir es nicht fertigbringen, unsere Liebe für immer zu bewahren« – sie lächelte leicht, ein klein bißchen verzerrt –, »dann können wir es eben nicht ändern. Ich will mir darüber den Kopf jetzt nicht zerbrechen, ich will mich mit dem zufriedengeben, was du mir hier und jetzt sagst. Ich sage dir offen, John, ich wollte dich vergessen. Ich habe es nicht fertiggebracht.«
»Ich habe mir auch Mühe gegeben, dich loszuwerden«, knurrte John. »Ich habe dich mit allen Schimpfnamen bedacht, die ich je gehört habe. Aber es hat mir nichts geholfen, ich bekam dich nicht aus dem Kopf. Es blieb mir nichts übrig: Ich mußte nach Los Angeles reiten und zusehen, dich dennoch und trotzdem zu bekommen. Hätte ich es nicht so verdammt eilig damit gehabt, wäre ich wahrscheinlich besser gesprungen.« Er lächelte sie ein bißchen schief von der Seite an. »Aber ich hatte eben Eile, und deshalb liege ich nun hier, und du sitzt neben mir, ich kann dich sehen, kann mit dir sprechen und kann deine Hand halten. Wir könnten auch geradesogut noch tausend Meilen voneinander entfernt sein.«
»Was meinst du: Wie lange wird es noch dauern, bis du ganz wiederhergestellt bist? Hat der Mann, der dich behandelt, nichts darüber gesagt?«
»Nun, ich denke, in etwa einem Monat werde ich wieder laufen können. Mit dem Arm wird es wohl noch ein bißchen länger dauern. Er kommt aber auch wieder in Ordnung. Ich habe die Konstitution eines Ochsen.«
Er grinste sie an, und sie hatte ihn im Verdacht, er untertreibe ein bißchen. Señora Lorca hatte ihr erzählt, daß er viel Schmerzen auszustehen hatte. Sehr wahrscheinlich hatte er auch jetzt noch Schmerzen; sie sah dann und wann, wie er das Gesicht verzog, obgleich er sich sehr in der Gewalt hatte. Natürlich wollte er ihr das nicht zeigen. Er schämte sich seiner Hilflosigkeit.
Er erklärte ihr auch, daß er die Gastfreundschaft des Hauses Lorca keineswegs länger als unbedingt notwendig in Anspruch zu nehmen gedenke. Er wolle nach San Franzisko, wie er es ursprünglich plante, und er habe auch mit dem Kapitän der im Hafen von Santa Barbara liegenden Brigg bereits eine Vereinbarung getroffen. Die Brigg lag vorläufig noch fest, da sie ihre Ladung Felle und Häute noch nicht zusammen hatte. Sie würde von hier aus nach Vervollständigung der Ladung nach San Franzisko hinaufsegeln und dort von den umliegenden Ranchos noch zusammenkaufen, was sie an Häuten bekommen konnte.
»Aber du kannst doch vorläufig gar nicht daran denken, eine Reise zu unternehmen«, sagte Garnet entsetzt.
»Wieso?« fragte er. »Ich kann an Bord des Schiffes genauso gut ausheilen wie hier. Die Boys werden mich an Bord bringen und werden mich auch auf dem Schiff betreuen. Wenn wir in San Franzisko ankommen, kann ich bestimmt auf meinen eigenen Füßen an Land gehen. Sobald ich dann in San Franzisko meine Geschäfte abgeschlossen habe, reite ich nach Süden, und dann heiraten wir. Das ist zweifellos die beste Lösung, denn ich möchte völlig wiederhergestellt sein, wenn wir heiraten. Es paßt mir nicht, als bandagierter Halbkrüppel neben dir herumzulaufen.«
Sie erriet sehr genau seine Hintergedanken. Er wollte nicht nur seiner Geschäfte wegen nach San Franzisko, er wollte vor allem deshalb reisen, um keinen Tag länger als unbedingt nötig fremde Hilfe
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