Kalifornische Sinfonie
klatschten mit dumpfem Rauschen gegen die Felswände. Das Wasser spritzte ihnen ins Gesicht und durchnäßte sie. Langsam wurden die Küstenabhänge flacher, und schließlich kamen sie in die Nähe der Bucht von Santa Barbara.
Draußen in der Bucht lag eine Handelsbrigg vor Anker, die das Sternenbanner gehißt hatte. Garnet schoß die alte Frage in den Kopf, ob der Kapitän sie auf der Rückreise wohl mit nach Hause nehmen würde. Aber sie hatte den Gedanken noch kaum zu Ende gedacht, als ihr Herz einen kleinen Sprung tat: Sie würde nicht nach Hause zurückkehren. Sie würde John Ives heiraten und in Kalifornien bleiben. Sie mußte unwillkürlich lachen, während sie sich das klarmachte. Wie lange war es her, daß sie noch mit allen Sinnen danach verlangt hatte, nach New York zurückzukehren! Sie hatte plötzlich kein Heimweh mehr. Während der ganzen Zeit, vom ersten Augenblick an, da sie Charles Hale auf der Ranch gegenübertrat, hatte es in ihr gebohrt; jetzt war es weg.
Santa Barbara erinnerte in seinem Äußeren an Los Angeles. Es gab da eine Plaza, auf der das Unkraut wucherte, eine Kirche und kleine Häuschen aus ungebrannten Ziegeln, die völlig willkürlich und ohne jede Andeutung einer Planung in die Gegend gestellt schienen. Dennoch fand Garnet den Ort sehr viel schöner und ansehnlicher. Er lag unmittelbar an einem wundervollen halbmondförmigen Strand, und die Luft war hier viel klarer, sauberer und frischer. Gewiß, die mit stinkenden Häuten und Fellen beladenen Ochsenkarren gab es auch hier, ebenso wie die herumlungernden Digger, die sich ganz offensichtlich in ihrem ganzen Leben noch niemals gewaschen hatten. Aber die von der See herüberwehende frische Brise nahm die Gerüche mit fort. Außerdem schienen die Menschen hier besser und sorgfältiger gekleidet, und es gab zwischen den Hütten auch mehr große und stattliche Häuser. Im näheren Umkreis dieser Gebäude war das Unkraut sorgsam verschnitten, sie hatten geräumige, von hohen Mauern umgebene Höfe, in denen herrliche Bäume standen. Verglichen mit den kalifornischen Durchschnittsstädtchen und Dörfern schien Santa Barbara ein sehr angenehmer Ort, an dem man wohl leben konnte. Die kleine Kolonne hielt vor einem der größeren Häuser. »Wir sind da«, verkündete Nikolai Grigorievitch, »hier wohnt Señora Lorca, und hier liegt auch John.«
Pablo stieg vom Pferd und schlug mit dem Peitschenknauf gegen die Hoftür. Haus und Hofmauer waren sauber geweißt, an der Mauer kletterten Weinreben empor, und dahinter erhoben sich die dunklen Kronen zahlreicher Orangenbäume, deren Zweige voller grüner, walnußgroßer Früchte hingen. Garnet fühlte sich nicht ganz wohl. Johns Gastgeber schienen vornehme, wohlhabende Leute zu sein, und sie selbst kam sich vor wie eine ausgehungerte Bettlerin. Ihr Haar war vom Wind zerzaust, ihr zerdrücktes Kleid war mit Staub überzogen und von getrockneten Salzwasserflecken übersät. Nun, dachte sie resigniert, wenn Señor und Señora Lorca jemals über Land geritten sind, wissen sie ja, daß man nach einem langen Ritt nicht anders aussehen kann. Das Tor wurde geöffnet, und Nikolai sprang vom Pferd und reichte Garnet die Hand, um ihr beim Absteigen behilflich zu sein. Garnet senkte die Augen. Ob Nikolai ihre Gedanken erraten hatte? Im Grunde war es ja ganz gleichgültig, was Señor und Señora Lorca von ihrem Anblick dachten, aber sie wollte nicht, daß John sie so sah. Als sie einander unter den Bäumen von Kerridges Ranch zum letztenmal gegenübergestanden hatten, war sie zwar wütend und wild wie eine Straßenkatze gewesen, aber doch frisch und sauber und gepflegt. Diener kamen aus dem Hause heraus, um die Pferde in Empfang zu nehmen und das Gepäck hineinzubefördern. Garnet sagte: »Was meinen Sie, Nick, ob ich mich wohl vorher ein bißchen waschen könnte?«
Aber Nikolai hörte wohl gar nicht zu. Er hatte mit ihr den Hof betreten, und hier kam ihnen jetzt auf dem fliesenbelegten Fußsteig ein Mann entgegen, der kaum ein anderer als Señor Lorca in eigener Person sein konnte. Er trug eine scharlachrote Mexikanerjacke, ein weißes Seidenhemd und blaue Hosen mit goldenen Borten an den Seiten. Der Mann machte, herankommend, vor Garnet eine tadellose Verbeugung, küßte ihr die Hand und versicherte, es sei ihm eine große Ehre, die Señora zu empfangen; sie möge über sein Haus gebieten, als sei es ihr Eigentum.
Von dem farbenprächtigen Caballero begleitet, betrat Garnet gleich darauf den Empfangssalon,
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