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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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einen langgestreckten weißgetünchten Raum mit leuchtend bunten Bespannungen an den Wänden. Wenige Minuten später kam die Señora herein, eine wohlbeleibte, liebenswürdige und nicht weniger farbenfreudig gekleidete Dame. Garnet bot ihr bestes Spanisch auf, um den Herrschaften für die freundliche Aufnahme zu danken, während sie sich insgeheim nach Wasser und Seife sehnte. Aber die Herrschaften schienen es für selbstverständlich zu halten, daß sie verstaubt und zerknittert aussah. Die Señora erklärte, im allgemeinen halte sie es für äußerst unschicklich, daß eine junge Dame das Schlafzimmer eines Herrn betrete, der noch nicht ihr Ehemann sei. Aber leider vermöge der unglückliche Señor Ives ja noch nicht aufzustehen, und zudem sei die junge Dame ja Witwe. Und also möge es ausnahmsweise wohl hingehen, und sie bäte die Señora, ihr folgen zu wollen.
    Garnet folgte der Frau. Mein Gott! dachte sie. Jetzt werden John und ich uns also unter den Augen dieser Dame und irgendeiner Dienerin begrüßen müssen. Das gefiel ihr gar nicht; es machte sie befangen. Das Mädchen öffnete eine Tür, Señora Lorca machte mit dem fleischigen Arm eine einladende Geste und forderte Garnet damit zum Eintreten auf.
    Das Zimmer war nicht groß, aber luftig und sonnig; die beiden Fenster wiesen in einen Hof. Unmittelbar neben einem dieser Fenster stand das große mit wundervoll gestickten Laken und Kissenbezügen ausgestattete Bett, eines dieser Ungetüme, die den Stolz der kalifornischen Hausfrau bildeten. Und in diesem Bett, inmitten von Kissenbergen, lag John.
    Johns dunkles Gesicht hob sich scharf von den weißen Bezügen ab; es schien Garnet dunkler als je zuvor; in den grünen Augen war ein kleiner boshafter Schimmer. Der rechte Arm, bis zu den Fingerspitzen von Bandagen umgeben, ruhte in einer Schlinge. Hüfte und Beine schienen ebenfalls dick bandagiert; denn dort, wo sie liegen mußten, wuchs die Bettdecke zu einem kleinen Berge auf. Er trug ein weißes Hemd mit einer Halskrause; der rechte Hemdärmel war der Bandagen wegen herausgetrennt. Er grinste sie an und hielt seine linke Hand hin. Als sie die ihre hineinlegte, umklammerte er sie, als wolle er sie zerbrechen.
    »So, du bist also da, du Dreckspatz!« sagte John.
    »Du Schuft!« sagte Garnet. »Was kann ich dafür, daß ich verdreckt bin! Sie haben mir noch keine Gelegenheit gegeben, mich zu waschen.«
    »Daran sind sie nicht schuld. Sie mußten mir versprechen, dich unverzüglich und ohne alle Vorbereitungen zu mir hereinzuschicken. Ich bin, verdammt noch mal während meines ganzen Lebens noch nach keinem Menschen so blödsinnig verrückt gewesen wie nach dir nichtsnutzigem Frauenzimmer. Wirst du dich anständig benehmen?«
    »Ich habe die Absicht«, sagte Garnet.
    »Lauwarmer Zwiebackbrei!« knurrte John. »Wenn ich meine beiden gesunden Arme hätte, würde ich dich nach Strich und Faden durchprügeln. Guck dich nicht so erschrocken um, sie verstehen kein Wort; sie sind überzeugt davon, daß ich dir jetzt allerlei Honigschleim um den Mund schmiere. Ich bin hundsgemein froh, daß du gekommen bist, du verdammtes Stück!«
    Garnet mußte lachen; sie konnte nicht anders, sie mußte lachen. Sie ließ sich auf die Wandbank am Kopfende des Bettes fallen und lachte und kicherte, und John lachte auch; und da die Señora sah, wie fröhlich ihre Gäste waren, lachte auch sie.
    John drückte Garnets Hand. »Bitte mich jetzt, dich zu küssen«, knurrte er.
    »Was fällt dir ein, du Dummkopf?«
    »Als ich dich zum letztenmal sah, sagte ich dir, ich würde dich erst wieder küssen, wenn du mich ausdrücklich darum bätest. Hast du das etwa vergessen?«
    Garnet lachte abermals. »Nein«, sagte sie, »küsse mich, John!«
    Er küßte die Hand, die er hielt. »Mehr vermag ich in dieser Beziehung vor der Öffentlichkeit leider nicht zu leisten. Aber warte nur! Jetzt kannst du erst einmal gehen und dich waschen, und dann kommst du sofort zurück und läßt dich durch nichts aufhalten. Hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte Garnet, »ich komme.« Sie stand von der Wandbank auf, und die liebenswürdig strahlende Señora ging voraus, um ihr das für sie vorbereitete Zimmer zu zeigen. Garnet dachte: Die guten Sitten, die mich zwingen jetzt von John wegzugehen, soll der Teufel holen! Es war ihr vollkommen gleichgültig, ob sie gewaschen war oder nicht.
    Fünfundvierzigstes Kapitel
    Seit ihrem Aufenthalt bei Doña Manuela war Garnet mit den Sitten und Gebräuchen eines kalifornischen

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