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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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und es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. Der Tag auf der Archillette fiel ihr ein; sie glaubte das glühende Eisen wieder in ihrer offenen Armwunde zu spüren. Und sie glaubte wieder Florindas über sich geneigtes Gesicht zu sehen. Es hatte eine fahlgrüne Farbe gehabt und war schweißüberströmt gewesen, geradeso, als ob Florinda und nicht sie den furchtbaren Schmerz hätte erleiden müssen. Sie hatte sich schon vor langer Zeit vorgenommen, Florinda nie zu fragen, woher die Narben an ihren Händen und Handgelenken stammten. Jetzt hatte sie das Gefühl, das Geheimnis würde sich ihr bald entschleiern. Es ging ihr dabei so, als ritte sie einen Pfad hinunter und wisse, daß unten eine Ortschaft liege, die sie jetzt noch nicht zu sehen vermöchte. Aber wenn sie unten angekommen wäre, würde sie sie erblicken.
    Siebenundvierzigstes Kapitel
    Nikolai Grigorievitch ging durch die dunklen Straßen und Gassen zu Silkys Bar zurück. Er hatte sich in der Stadt umgesehen und festgestellt, daß das Erdbeben keine wesentlichen Zerstörungen angerichtet hatte. Die kleinen niedrigen Häuser aus ungebrannten Ziegeln waren so solide gebaut, daß sie auch einem Erdbeben widerstanden. Die Menschen allerdings waren weniger unerschütterlich als ihre Häuser. Viele Leute waren in die Kirche gelaufen, um den Beistand und Schutz Gottes herabzuflehen. Andere irrten umher und suchten nach ihren Kindern, die im ersten Schreck hinausgelaufen waren und nun noch irgendwo zwischen dem wuchernden Unkraut und dem wilden Hafer umherirrten. Hier und da war auch geraubt und geplündert worden, denn es gab genug Strauchdiebe und Desperados am Ort, die sich nicht scheuten, die allgemeine Verwirrung und Kopflosigkeit für ihre dunklen Pläne auszunützen.
    Das Militär tat sein Bestes, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Es waren überall verschärfte Doppelposten aufgestellt worden, Streifen patrouillierten in den Straßen und fahndeten nach verdächtigen Individuen, und überall mühten die Soldaten sich, Verletzten zu helfen und Kopflose zu beruhigen. Nikolai Grigorievitch war mehrmals von Streifen angehalten worden und hatte allerlei Fragen beantworten müssen. Aber er war mit seiner imponierenden und Aufsehen erregenden Erscheinung eine so bekannte Persönlichkeit, daß er sich jedesmal schnell wieder lösen konnte. Auch unter den Soldaten kannten ihn viele; er galt bei ihnen allgemein als harmloser Dummkopf, den man nicht weiter ernst nehmen mußte. Micky, der Nikolai durch die Hintertür einließ, sagte ihm, daß Miß Golnet und Miß Flinda schon auf ihre Zimmer gegangen seien. »Leg dich hin, Micky«, grinste Nikolai, »ich will sehen, ob sie schlafen.«
    Er nahm einen Leuchter und stieg leise die Treppen hinauf. Er war zwar noch nie hier oben gewesen, doch wußte er, auf welcher Seite die Zimmer der Mädchen lagen. Unter einer der Türen schimmerte Licht hindurch. Er ging zu der anderen Tür und klopfte leise an, erhielt aber keine Antwort. Er stellte den Leuchter auf den Fußboden und öffnete vorsichtig die Tür. Wie er vermutet hatte, befand er sich in Garnets Zimmer. Garnet schlief bereits, und auch Stephen schlummerte friedlich in seinem Bettchen. Er schloß die Tür wieder ohne das geringste Geräusch, nahm den Leuchter auf und ging zu der anderen, unter der das Licht durchschimmerte. Drinnen knarrte etwas, dann ertönte Florindas Stimme: »Wer ist da?«
    »Ich bin es, Nikolai Grigorievitch Karakozof«, sagte der Russe.
    »O Ratten! Was wollen Sie hier?« Die Tür öffnete sich, und Florinda erschien in ihrem Rahmen. Sie war bereits ausgekleidet und hatte nur ein wollenes Schaltuch über das Nachthemd geschlungen. Das Bett hinter ihr war noch nicht aufgedeckt; sie hatte offenbar noch nicht gelegen. »Was fällt Ihnen ein, Sie Narr?« sagte sie, ihn mit halb verwunderten, halb ärgerlichen Blicken messend.
    »Ich wollte sehen, ob Sie haben den Schreck überwunden«, lächelte Nikolai.
    »Mir fehlt nichts«, versetzte Florinda, »verschwinden Sie!«
    Der Russe schüttelte den Kopf: »Es sieht nicht so aus, als wären Sie schon ganz wieder in Ordnung. Deshalb – ich möchte ein bißchen bei Ihnen bleiben.«
    Florinda lächelte ihn aus ihren großen blauen Augen ein klein wenig spöttisch an. »Mein kleiner Bär«, sagte sie, »mein hübsches, barbarisches Tier, ich brauche wirklich kein Kindermädchen. Machen Sie, daß Sie fortkommen, und lassen Sie mich schlafen!«
    »Aber Sie schlafen nicht«, grinste der Russe. »Miß Garnet

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