Kalifornische Sinfonie
und ich erwartete auch nichts von ihm. Er war ein schwerreicher Mann und lebte in einer anderen Welt. Er war großzügig gewesen, als er erfahren hatte, ich erwarte ein Kind. Er hatte mir ziemlich viel Geld gegeben. Aber er gehörte einer der alten New Yorker Familien an, und seine Mutter hätte wahrscheinlich den Verstand verloren, wenn sie erfahren hätte, ihr Sohn unterhalte ein Verhältnis mit einer Varietékünstlerin. Ich war mir vollkommen klar darüber, daß ich in irgendeiner Not mit ihm nicht würde rechnen können. – Deshalb also heiratete ich die Bestie William Cadwallader Mallory. Solange wir nicht verheiratet waren, tat er so, als fände er Arabella reizend. Er heiratete mich aber nur, um aus seinen Spiel-und Trinkschulden herauszukommen. Seine Familie hatte ihn ausgestoßen und ein für allemal enterbt. Ich hatte ziemlich viel Geld auf der Bank und sehr viel Schmuck. Und er sagte sich, das alles würde, wenn er mich heiratete, auch ihm gehören. Ich verstand von solchen Dingen nichts, ich war dumm und närrisch und in Rechtsdingen völlig unerfahren.«
Es strömte jetzt aus Florinda heraus, alles in diesen kurzen, abgehackten Sätzen. Alles, was sich in Jahren in ihr angestaut hatte, suchte nun zum erstenmal Wort und Ausdruck zu finden. Nikolai unterbrach die Erregte nicht. »Nachher war es dann zu spät«, fuhr Florinda fort. »Ich konnte mich nicht scheiden lassen, und ich konnte ihn auch so nicht loswerden. Ich gab meine Stellung auf und verkroch mich vor ihm mit dem Kind. Aber er spürte mich immer sehr bald wieder auf. Und er war immer betrunken, wenn er kam, und er wollte immer wieder Geld. Eines Tages wurde er eingesperrt, zusammen mit anderen Burschen, mit denen er sich auf der Straße herumgeprügelt hatte. Ich atmete auf. Ich wollte die Stadt verlassen, solange er im Gefängnis saß, und ich wollte dafür sorgen, daß er mich nie mehr fände. Ich hatte mich bereits nach einem Schiff umgesehen und alles vorbereitet. Eines Nachmittags stand ich in meiner Stube und bügelte meine Kleider. Im Kamin brannte ein großes, helles Feuer, in dem ich die Eisen glühend hielt. Arabella spielte am Fußboden herum; sie war zwei Jahre alt, in dem Alter, wo Kinder dazu neigen, nach allem zu greifen. Da ich nicht genügend auf sie achthaben konnte, setzte ich sie mit ihren Puppen auf ihr Stühlchen und band sie daran fest. Ich hatte Angst, sie könnte an das Feuer oder an die heißen Eisen kommen. Meine Kleider und meine Wäsche lagen überall im Zimmer verstreut, ein paar Koffer waren schon halb gepackt; in einem Kästchen, das auf dem Tisch stand, befanden sich meine Schmucksachen. Ich stand am Tisch und bügelte und sang dabei, und Arabella versuchte auch zu singen. Ich freute mich, bald aus New York heraus zu sein, und scherzte mit dem Kind. Dann ging die Tür auf, in ihrem Rahmen stand William Mallory.« Florinda atmete schwer, es hörte sich an wie ein Röcheln.
»Der Gouverneur hatte ihn aus dem Gefängnis entlassen«, sagte sie. »Er war wie immer betrunken, aber nicht so, daß er nicht gewußt hätte, was er tat. Er wußte sehr genau, was er wollte. Er versuchte, ohne lange zu reden, den Schmuckkasten an sich zu bringen, den er gleich beim Eintritt auf dem Tisch gesehen hatte. Ich ergriff das Kästchen und schrie, er solle seine Finger davon lassen; der Schmuck gehöre meinem Kind. – Er brüllte: ›Zum Teufel mit dem Bastard!‹, stieß das Stühlchen mit dem Fuß beiseite und sprang auf mich zu, um mir die Kassette zu entreißen. Ich hörte Arabella schreien und wollte zu ihr, aber er hatte mich gegen die Wand gepreßt und verdeckte mir für ein paar Minuten die Sicht. Ich ließ die Kassette fallen und schlug mit den Fäusten nach ihm. Und dann sah ich, über seine Schulter hinweg, was er getan hatte. Er hatte sie samt dem Stühlchen in das offene Kaminfeuer gestoßen. Ich hatte das Kind ja selbst an dem Stühlchen festgebunden, und so hatte es sich nicht befreien können. Nun sah ich mit eigenen Augen, wie es bei lebendigem Leibe verbrannte.« Florinda würgte und schluckte; ein Zucken lief durch ihren Körper.
»Ich bin in diesem entsetzlichen Augenblick wohl zum Tiger geworden«, keuchte sie; »ich weiß nicht, woher mir die Kräfte kamen. Aber ich warf den Mann mit einem einzigen Ruck zu Boden und stürzte zum Kamin, um mein Kind zu retten. Das Stühlchen war wie Feuerholz weggebrannt. Arabella brannte noch lichterloh. Ich riß es heraus, warf es auf den Fußboden und wickelte es in
Weitere Kostenlose Bücher