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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Erdbeben berichten, das die Stadt Los Angeles im Jahre 1848 heimsuchte und das nicht weniger entsetzenerregend gewesen sei als der Feuerregen, der einst Pompeji zerstörte. Das Haus stand mittlerweile ruhig und fest, als wäre nichts geschehen. Der Stoß war gekommen und vorübergegangen, nicht anders als ein Faustschlag.
    Nikolai Grigorievitch lehnte an der Bar und tastete über die Theke nach Garnets Hand. »Es ist Ihnen nichts geschehen?« fragte er.
    »Nein«, antwortete sie, immer noch atemlos, »nichts.«
    »Und Sie, Florinda?«
    Florinda stand hinter der Theke und hielt den Geldkasten mit beiden Händen an die Brust gepreßt. »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie, »wenn mir etwas passiert sein sollte, so habe ich jedenfalls noch keine Zeit gefunden, es festzustellen.« Sie stellte den Kasten auf seinen Platz.
    Auf der Straße war immer noch großes Geschrei und Gerenne. Garnet war durchaus nicht der einzige Mensch in Los Angeles, der sich an die Erdbeben nicht gewöhnen konnte. Die Tür hinter der Theke öffnete sich. Silky steckte den Kopf herein.
    »Wir schließen besser zu«, sagte er, »bei der Aufregung, die augenblicklich in der Stadt herrscht, ist gute Zeit für Strolche, auf Beute auszugehen.«
    Durch die offene Tür hörte Garnet den kleinen Stephen mordsjämmerlich schreien. Sie lief, an Silky vorbei, in die Küche. Stephen war auch umgeworfen worden; Isabel hatte ihn gerade aufgehoben. Die auf dem Herd kochende Abendmahlzeit war ins Feuer gefallen; sie hatte erst die aus dem Herd herausspritzende Glutasche wegfegen müssen. Garnet nahm ihr das Kind ab. Es hatte sich ziemlich heftig gestoßen, aber sonst nicht verletzt. Mit dem Kind auf dem Arm ging sie zur Bar zurück, um zu sehen, was dort etwa sonst noch geschehen sei. Silky war eben dabei, den Spielsalon räumen und schließen zu lassen. Als Garnet den Barraum betrat, fragte Florinda, auf Stephen zeigend: »Es ist ihm doch nichts passiert?«
    »Nein«, antwortete Garnet, »er hat nur wie seine Mutter einen ziemlichen Schrecken gekriegt.«
    Am Türpfosten stehend, streichelte und beruhigte sie das Kind. Nikolai Grigorievitch lehnte immer noch an der Theke; alle anderen Gäste waren gegangen. José schloß eben die zur Straße führende Tür, wie Silky gewünscht hatte. Florinda hatte ihre von Wein und Whisky durchnäßten Handschuhe ausgezogen und trocknete sich die Hände an ihrem Rock. Eine Flasche Wein, die auf dem Regal bis an die vordere Kante gerutscht war, fiel herunter und zersplitterte zu ihren Füßen. »Verdammt!« sagte sie, »immer noch mehr Bruch. Wir werden morgen nichts anderes zu tun haben, als das Lokal zu säubern.«
    Und nun geschah etwas Aufregendes. Sie hatten in dem allgemeinen Tumult alle die beiden Lampen vergessen, die von dem Balken über der Bartheke herunterhingen. Die Lampen hatten immer dort gehangen; Silky hatte sie gekauft, als er das Lokal eröffnete. Er wollte nicht von Kerzen abhängig sein, die jeder Trunkenbold ausblasen konnte. Die Lampen hingen an Metallklammern, die in den Deckenbalken gebohrt waren. Niemand hatte bisher nach oben gesehen, und so war auch niemand aufgefallen, daß eine der Halteklammern gebrochen war. Bis zu eben diesem Augenblick, da die schwere Lampe den letzten schwachen Widerstand der gebrochenen Klammer überwand und fiel. Garnet hatte es im allerletzten Augenblick gesehen; in dem jähen Schreck, der sie durchfuhr, schienen ihr die Sekunden, welche die Lampe zu ihrem Sturz benötigte, eine Ewigkeit. Die Lampe fiel dicht neben Florinda zu Boden und zersplitterte mit einem silbrigen Klingen. Das Öl lief aus, die Flamme lief tänzelnd über das Öl, erfaßte den Saum von Florindas Rock und setzte das Kleid in Sekundenschnelle in Flammen.
    Florinda stand regungslos, wie erstarrt. Ihre Augen waren weit aufgerissen und glichen blauen Porzellaneiern. Das Mädchen, das in keiner noch so schwierigen oder gefährlichen Situation bisher Ruhe und Selbstbeherrschung verloren hatte, verlor sie jetzt. Ihr Mund brach auf, ihre Arme reckten sich hilfesuchend in die Luft, ein gellender, markerschütternder Schrei brach aus ihrer Kehle. Silky kam aus dem Spielsalon herausgestürzt, stieß Micky beiseite, und Micky ließ vor Schreck den irdenen Topf fallen, den er gerade in der Hand hielt. Es geschah alles in einem einzigen Augenblick. José, der noch an der Tür stand, glaubte Klirren und Schrei in der gleichen Sekunde zu vernehmen. Er fuhr herum, aber da er die Flammen hinter der hohen Bartheke nicht

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