Kalix - Die Werwölfin von London
entworfen!«, schrie Thrix. »Und ich habe es noch nicht gezeigt!
Das sollte ein neues Kleid für die Schau in Mailand sein. Jemand hat meine Arbeit gestohlen!«
Aufgewühlt lief Thrix um ihren Schreibtisch herum, und dann tat sie etwas, das Ann erschreckte. Es hätte jeden erschreckt, sogar ein Mitglied des MacRinnalch-Clans. Sie verwandelte sich in eine Werwölfin, obwohl es helllichter Tag war. Thrix warf den Kopf in den Nacken und heulte vor Wut auf.
Ann lief zur Tür, um abzuschließen. Außer ihr wusste niemand, dass Thrix eine Werwölfin war, und es erschien ihr klüger, das nicht einfach herauszu 184
posaunen. Die Zauberin knurrte noch ein paar Mal, dann nahm sie wieder menschliche Gestalt an.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie das auch tagsüber können«, sagte Ann.
»Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.«
Ann zuckte mit den Schultern. Nachdem sie vor etwa einem Jahr erfahren hatte, dass sie für eine Werwölfin arbeitete, noch dazu für eine Werwölfin mit magischen Kräften, konnte sie nur noch wenig überraschen. Und das war gut so, denn im gleichen Moment materialisierte sich Malveria im Raum.
»Hast du gerufen?«, fragte sie charmant, bevor ihr an Thrix' Aura etwas Seltsames auffiel.
»Du hast dich verwandelt? Am helllichten Tag? Meine Güte, Thrix, du bist offenbar extrem wütend. Wurde wieder eines deiner Models in eine Entzugsklinik gebracht?«
»Nein.«
»Ah.« Malveria nickte wissend. »Du bist noch aufgebracht, weil das romantische Abendessen ein solcher Fehlschlag war.«
»Das Essen war ein Fehlschlag?«, fragte Ann.
»Ein totaler«, antwortete die Feuerkönigin. »Die arme Thrix war am Boden zerstört, als ihr Begleiter sie bei der ersten Gelegenheit hat sitzenlassen.«
»Er hat Sie sitzenlassen?«, fragte Ann.
»Er hat mich nicht sitzenlassen! Ich habe mir ein Taxi bestellt.«
»Das ist wirklich zu schade«, sagte Malveria. »Aber vielleicht war dieser Donald auch nicht der Richtige. Wissen Sie, der Zauberin kann man es nur schwer recht machen. Ich habe mein ganzes Reich nach einem passenden -«
»Könnten wir mal bitte wieder zum eigentlichen Thema kommen!«, verlangte Thrix lautstark. »Ich bin nicht zur heulenden Werwölfin geworden, weil meine Verabredung katastro ... ahm, nicht ganz so gut gelaufen ist. Ich bin wütend, weil jemand meine Entwürfe gestohlen hat!«
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»Ah«, machte die Feuerkönigin. »Jetzt verstehe ich. Wenn Malveria solch schreckliche Demütigungen erleidet, ist es nicht weiter schlimm, aber wenn dir das Gleiche passiert, erkennst du plötzlich das ganze Ausmaß des Grauens.«
»Wenn ich herausfinde, wer dafür verantwortlich ist, wird er wahre Schmerzen kennenlernen!«, rief Thrix.
Ann, die bei der ganzen Krise einen kühleren Kopf bewahrt hatte, nahm die Zeitschrift in die Hand.
»Aber bringt uns das nicht einen Schritt weiter?«
»Was? Wie denn?«
»Na ja, bis jetzt wussten wir nur von der Spionage, weil die Feuerkönigin bei mehreren Veranstaltungen jemanden mit den gleichen Kleidern gesehen hat.
Aber jetzt haben wir ein Foto von einem Ihrer Outfits in einer Zeitschrift. Wir müssten jetzt also herausfinden können, wer hinter der ganzen Sache steckt.«
»Natürlich«, rief Thrix und schnappte sich das Heft. »Ich war so wütend über das Foto, dass ich nicht einmal den Text dazu gelesen habe. Wer ist der Designer?«
Sie überflog die Seite, dann machte sie ein finsteres Gesicht.
»Das war ja klar.«
Das Kleid, so behauptete zumindest die Zeitschrift, hatte Alan Zatek entworfen.
Zatek, dessen Haus in der Modewelt einen ähnlichen Rang wie das von Thrix einnahm, gehörte zu ihren größten Rivalen.
»Alan Zatek zeigt seine neue Kollektion nächste Saison in Mailand«, las die Zauberin vor. »Ach, wirklich? Nicht, wenn ich ihn vorher ungespitzt in den Boden ramme.«
»Das würde er ohne Frage verdienen«, stimmte die Feuerkönigin zu. »Nicht zuletzt, weil ich einmal eine Hose von ihm getragen habe, in der meine Hüften fett aussahen; das werde ich ihm nie verzeihen. Aber überleg doch. Sollten wir nicht erst weiter nachforschen, bevor wir gegen ihn vorgehen?«
Thrix fiel kein Grund ein, nicht sofort zu Alan Zateks Mode 185
haus zu gehen und sich auf ihn zu stürzen, aber Malveria, die in der Kunst der Kriegsführung stärker bewandert war, riet dringend zur Vorsicht.
»Man sollte seine Feinde nicht attackieren, bevor man ihre Stärke genau einschätzen kann. Dieser Alan Zatek ist offensichtlich kein normaler menschlicher
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