Kalix - Die Werwölfin von London
sagte die Zauberin. »Und ich bitte Ann, uns Schleimgrün für Agrivex zu bringen.«
»Ist siebzehn ein normales Alter, um so ausdauernd zu schmollen?«, fragte die Feuerkönigin.
»Wahrscheinlich ja. Kommt auf die Siebzehnjährige an. Ich nehme an, Agrivex schlägt sich nicht mit ernsten Gedanken herum, oder?«
Malveria schüttelte den Kopf.
»Ihr ist noch nie ein ernster Gedanke in den Sinn gekommen. Sie ist ein .. «
Malveria suchte nach dem rechten Wort. »Ein Hohlkopf?«, schlug Thrix vor.
»Genau!«, freute sich die Feuerkönigin. »Das ist die perfekte Beschreibung. Ihr Kopf ist völlig hohl. Aber das ist nicht schlimm. Sie treibt mich zwar wegen Nagellack und Kleidung in den Wahnsinn, aber sie wird nie den Thron an sich reißen wollen. Verwandte
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sind da wirklich schrecklich, Zauberin. Manchmal frage ich mich, warum es überhaupt Verwandte gibt.«
»Das frage ich mich manchmal auch«, stimmte ihr die Zauberin zu.
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Weder Gregor noch Decembrius, die Handlanger von Markus und Sarapen, hatten bisher eine Spur von Kalix gefunden. Decembrius allerdings besaß eine besondere Gabe, er musste sich nicht nur auf die normalen scharfen Sinne der Werwölfe verlassen, um jemanden aufzuspüren. Als er die Stadt durchquerte, spürte er Dominus Anwesenheit. Er machte sie ausfindig, folgte ihr unauffällig zum Haus der Zwillinge und erstattete Sarapen anschließend Bericht.
Thrix machte sich schließlich doch die Mühe, ihre kleine Schwester zu besuchen. Sie hatte wenig Zeit und war mit anderen Dingen beschäftigt, deshalb unternahm sie diesen Gang nur widerwillig. Kalix war allein in der Wohnung, als die Zauberin ankam. Keine von ihnen lächelte, als sie sich auf der Treppe gegenüberstanden. Thrix fiel auf, dass Kalix deutlich besser als beim letzten Mal aussah. Sie war sauber. Ihr Haar war gewaschen; Thrix konnte sich kaum erinnern, das bei Kalix seit ihrer Kindheit gesehen zu haben. Sie hatte ganz vergessen, wie lang und dick es war. Beinahe hätte sie Kalix ein Kompliment deswegen gemacht, aber sie schluckte es herunter.
»Was willst du?«, fragte Kalix.
»Hast du dein neues Amulett?«
»Ja«, murmelte Kalix und blickte zu Boden.
»Dafür musst du eher der Feuerkönigin danken als mir. Ich bin hier, weil Mutter wollte, dass ich auf deine Sicherheit achte.«
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Kalix kräuselte die Lippen.
»Schau nicht so«, sagte Thrix scharf. »Ohne mich wärst du überhaupt nicht so weit gekommen. Also wirklich, Kalix, du bist richtig undankbar. Ist es da ein Wunder, dass du am Ende ohne einen einzigen Freund dastehst?«
Kalix antwortete nicht. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging die Treppe hinauf. Thrix folgte ihr unaufgefordert. Kalix war in das kleine Zimmer gegangen, das Daniel und Moonglow für sie frei geräumt hatten. Sie hatte ein Einzelbett, einen CD-Player und eine Lampe. Ihre Tasche lag neben dem Bett.
Auf einem Stuhl stapelte sich Kleidung, die Kalix von ihren Gastgebern bekommen hatte. Die meisten Sachen passten ihr nicht, aber am kommenden Wochenende wollten sie die Second-Hand-Läden in der Gegend abklappern und sehen, was sie auftreiben konnten.
Thrix sah sich in dem kleinen, schmucklosen Zimmer um, dessen einzige Dekoration aus drei Bildern von den Runaways bestand, die Moonglow für Kalix ausgedruckt hatte. Die Zauberin unterdrückte einen Schauder, als sie die Kleidung sah; sie wäre lieber gestorben, als diese abgelegten Studentenklamotten anzuziehen.
»Na ja, wahrscheinlich reicht es.«
»Ich habe dich nicht eingeladen«, sagte Kalix. »Was willst du?« »Nichts. Aber Mutter will, dass ich dich beschütze.« »Deinen Schutz brauche ich nicht.« Thrix ging ein, zwei Schritte auf sie zu.
»Kalix, du kannst mir glauben, dass ich nicht freiwillig hier bin. Also hör zu und erspar mir deine Kommentare. Hast du etwas vom Großen Rat gehört?«
Kalix schüttelte den Kopf.
»Weißt du, dass der Fürst gestorben ist?«
Das wusste Kalix. Sie starrte die Wand an.
»Hast du nichts dazu zu sagen? Er war immerhin unser Vater.«
»Ich wünschte, er wäre früher gestorben«, sagte Kalix.
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Thrix war schockiert, das zu hören, obwohl sie selbst nicht einmal vorgeben konnte, um ihren Vater zu trauern. Die letzten fünfzig Jahre lang hatte sie versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, und bei seinem Begräbnis hatte sie nicht eine Träne vergossen.
»Der Große Rat konnte sich nicht auf einen neuen Fürsten einigen.«
»Ich dachte, Sarapen wird Fürst.«
»Das dachten alle, bis auf unsere
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