Kalix - Die Werwölfin von London
auf Butix und Delix an?«, fragte Rainal. »Ich muss gestehen, dass ich es für sehr unwahrscheinlich halte, die beiden noch einmal hier in der Burg zu sehen.«
»Ich halte das durchaus für wahrscheinlich«, widersprach Verasa.
»Bei der letzten Sitzung habe ich sechs Stimmen bekommen«, sagte Markus.
»Wenn du irgendwie die Zwillinge auf unsere Seite ziehen könntest, wäre ich bei acht. Das heißt ...«
Markus zögerte.
»Was heißt das?«, fragte Verasa.
»Das heißt, falls wir uns selbst um Kalix kümmern würden, käme noch Dulupinas Stimme zu diesen acht und ich würde Fürst.«
Verasa reagierte äußerlich gelassen auf Markus' Vorschlag, aber in Wahrheit war sie alles andere als erfreut.
»Es wird nicht nötig sein, dass wir meine jüngste Tochter töten.«
»Ich habe nicht gesagt, dass wir das tun sollen«, protestierte Markus. »Dulupina wäre vielleicht schon zufrieden, wenn wir sie nur zurückbringen und einsperren.«
»Das bezweifle ich doch sehr«, sagte Verasa. »Dulupina hat sehr genaue Vorstellungen. Überlass es ruhig mir, die Stimmen zu besorgen, Markus.
Vergiss nicht, wir können auch noch auf einige in der Burg Druck ausüben.«
»Auf Kurian und seine Brut? Die werden sich durch nichts umstimmen lassen.«
»Wer weiß denn, ob nicht etwas geschieht, das sie umstimmt?«, fragte die Herrin der Werwölfe.
Später am Abend musste Verasa einen zweiten Rückschlag hin 183
nehmen. In einem Gewölbe unter dem Südturm der Burg verwahrte der Clan private Relikte. Dazu gehörte das Banner der MacRinnalchs, das in der Schlacht von Bannockburn getragen wurde. Der Clan glaubte, dass es die einzig erhaltene Standarte von 1314 war, als Robert the Bruce, König von Schottland, den englischen König Edward I. besiegte. Ein weiteres wertvolles Relikt war die Axt von MacDoig MacRinnalch, der 1172 eine Feldschlacht gegen dänische Wikinger geführt und sie von den Ländereien der Familie vertrieben hatte. Die Wikinger brachten später weite Landstriche in der Umgebung unter ihre Kontrolle, aber über die Werwölfe herrschten sie nie.
Außerdem wurde in dem Gewölbe das Begravarmesser verwahrt, das Ritter Gerrant Gawain MacRinnalch von seiner Fahrt auf das Festland mit dem Schwarzen Douglas zurückgebracht hatte. Als Douglas in Jerusalem starb, reiste Gerrant MacRinnalch weiter in das entfernte biblische Mesopotamien, in dessen weiten Ebenen vor über viertausend Jahren die alten Städte Sumers entstanden waren. Dort stieß Gerrant auf das Begravarmesser; er nahm es einem persischen Ritter ab, der als Jäger von Gestaltwandlern galt. Niemand wusste etwas Genaues über Gestaltwandler des alten Sumers, aber die MacRinnalchs glaubten, sie wären ihnen in mancherlei Hinsicht ähnlich gewesen und könnten vielleicht sogar ihre Vorfahren sein. Auf jeden Fall war das Begravarmesser bei Werwölfen genauso wirkungsvoll wie bei alten Gestaltwandlern. Mit einer normalen Klinge war es nahezu unmöglich, einen Werwolf umzubringen, aber ein Schnitt mit dem Begravarmesser wirkte tödlich. Wer das Messer auch geschaffen hatte, er hatte es so gestaltet, dass es auch nach seiner langen Geschichte noch scharf und tödlich blieb.
Es war aus dem Gewölbe verschwunden. Verasa war verblüfft. Außer ihr konnte niemand das Gewölbe betreten. Sie besaß den einzigen Schlüssel. Zuerst konnte sie einfach nicht glauben, dass das Messer verschwunden war, und suchte das kleine Steingewölbe
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ab, als könne es zufällig verlegt worden sein. Es war nicht da. Jemand hatte es weggenommen. Sie überprüfte das Schloss. Es war unbeschädigt. Wenn jemand das Gewölbe betreten hatte, dann nur mit einem Zweitschlüssel. Verasa trug den Schlüssel an einer Kette um den Hals, niemand hätte ihn unbemerkt nehmen können. Die Herrin der Werwölfe war ratlos. Sie hatte Sarapen im Verdacht und fand den Gedanken, dass er jetzt das Messer besaß, sehr beunruhigend.
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Thrix nahm vom Empfangsschalter die neueste Ausgabe der Elle mit und schlug sie im Aufzug nach oben auf. Bei ihrer Ankunft im Büro war sie recht deprimiert gewesen. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, war sie fuchsteufelswild. »Ann!«, brüllte sie. »In mein Büro!«
Ann lief ihr hinterher. Thrix knallte die Zeitschrift auf ihren Schreibtisch und stieß ein Knurren aus, das aus keiner menschlichen Kehle stammen konnte. Sie zeigte auf die aufgeschlagene Zeitschrift und ein Foto von einem jungen Model in einem hübschen, eleganten weißen Sommerkleid.
»Das habe ich
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