Kalix - Die Werwölfin von London
Abend war, um Zuhörer anzulocken.
»Ich muss noch mehr Flyer verteilen«, sagte sie.
»Ich helfe dir«, sagte Kalix.
»Gut. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.«
Kalix freute sich. Sie kam sich wichtig vor. Während sie sich 404
durch die verstopften Straßen der Innenstadt auf die Lambeth Bridge zukämpften, bemerkte sie, dass Dominil sie musterte.
»Du bist dünner«, sagte Dominil.
»Das glaube ich nicht«, sagte Kalix.
»Es stimmt. Ich erkenne das.«
»Ich glaube wirklich nicht, dass ich dünner bin«, widersprach Kalix, die sich regelrecht fett fühlte, nachdem sie am Vortag eine halbe Pizza gegessen hatte.
»Ich habe ein fotografisches Gedächtnis«, sagte Dominil. »Du bist dünner.«
»Meinetwegen«, sagte Kalix unbehaglich.
»Ich möchte, dass du isst«, sagte Dominil.
Bei dieser unerwarteten Attacke wurde Kalix mulmig. Sie antwortete nicht.
»Wenn du mir helfen willst, musst du gesund sein«, sprach Dominil weiter.
»Also musst du essen.«
»Na gut, werde ich.« Kalix wollte das Thema gern beenden. Dominil wandte sich zu ihr um.
»Ich glaube auch, dass es für dich besser wäre, tot zu sein.« »Was?«, fragte Kalix erschrocken.
»Es wäre besser für dich, wenn du tot wärst. Was, wie ich vermute, dein Ziel ist, wenn du hungerst und dich schneidest. Da du so unbeirrbar unglücklich bist, hast du vielleicht recht. Es ergibt wenig Sinn zu bleiben, nur um unglücklich zu sein.«
Kalix war beleidigt und perplex. Erst sagte Dominil ihr, sie solle essen, dann meinte sie, es wäre besser, wenn Kalix tot wäre.
»Entscheide dich«, fuhr sie Dominil an. »Soll ich tot oder gesund sein?«
»Du sollst gesund sein, bis der Gig vorüber ist«, antwortete Dominil gelassen.
»Schaffst du das?«
»Davon gehe ich mal aus«, murrte Kalix mit finsterem Blick.
»Gut. Danach kannst du machen, was du willst.«
Sie fuhren über die Lambeth Bridge auf die schmaleren Straßen 405
Südlondons, die nach Kennington führten. Es herrschte reger Verkehr wie immer, und sie kamen nur langsam voran.
»Es gibt noch einen Grund, warum du beim Gig gesund sein sollst«, sagte Dominil. »Ich vermute, dass Sarapen dort erscheint.«
Damit hatte sie Kalix' volle Aufmerksamkeit.
»Es wäre für ihn die ideale Gelegenheit für einen Angriff. Vier Mitglieder des Großen Rats werden dort sein, sogar fünf, wenn Thrix kommt.«
»Weiß Sarapen überhaupt, dass sie auftreten?«, fragte Kalix.
»Decembrius ist bei ihm, und Decembrius bringt normalerweise die Dinge in Erfahrung, die sein Herr wissen will.«
Dominil riet Kalix, niemandem von ihrem Verdacht zu erzählen. Es gab keinen Grund, Moonglow oder Daniel oder auch die Zwillinge unnötig aufzuregen.
Schweigend fuhren sie weiter. Kalix sah dem Regen zu, der über die Windschutzscheibe strömte, und amüsierte sich darüber, als sie ein paar Fußgänger nassspritzten.
»Glaubst du wirklich, ich sollte lieber tot sein?«, fragte sie schließlich.
»Mir ist das egal«, antwortete Dominil. »Solange es nicht vor dem Gig passiert.«
Kalix suchte in Dominus Gesicht nach einem Anzeichen von Humor oder Ironie. Sie fand keines.
Als sie ihr Ziel erreichten, marschierte Dominil ins Haus. Dort schaffte sie es, Kalix noch mehr zu entsetzen, indem sie Moonglow erzählte, dass sie eine Vereinbarung mit der jungen Werwölfin getroffen hatte.
»Kalix hat eingewilligt, regelmäßig zu essen, um bis zum Gig gesund zu bleiben.«
Kalix ging diese Formulierung zu weit. Moonglow war über die Neuigkeiten überrascht, aber auch erfreut.
»Ich werde sie gut füttern«, sagte sie und lächelte Kalix an. Kalix machte ein finsteres Gesicht. Von diesem ganzen Gerede über Essen wurde ihr richtig schlecht.
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»Hast du etwas über Markus gehört?«, fragte Moonglow unvermutet.
»Er ist wieder in der Burg«, antwortete Dominil. »Oh«, machte Moonglow traurig. Dominil musterte sie gleichgültig.
»Pass auf, dass Kalix isst«, sagte sie, marschierte aus dem Haus und widmete sich dem nächsten Teil ihres Feldzugs.
Moonglows Trauer wegen Markus hatte nicht nachgelassen. Als Dominil gegangen war, fing sie an zu weinen. Sie wollte sich von Kalix trösten lassen, aber Kalix war nicht mehr da. Kalix verstand nicht, warum Moonglow sich in ihren verhassten Bruder Markus verliebt hatte, und hatte sehr wenig Mitgefühl mit ihr. In ihrem Zimmer trank Kalix einen Schluck Laudanum und holte ihr Tagebuch hervor. Mühsam schrieb sie auf, was an diesem Tag im Haus der Zwillinge geschehen war. Nachdem
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