Kalix - Die Werwölfin von London
sie ihre Bemühungen, ihnen zu helfen, festgehalten hatte, schrieb sie: Ich mag Dominil. Dann schrieb sie: Dominil ist es egal, ob ich sterbe.
Sie dachte eine Weile darüber nach, wusste aber nicht, was sie davon halten sollte. Sie zog einen dicken Strich und nahm mit ihrer unleserlichen, krakeligen Handschrift einen weiteren Eintrag vor: Moonglow ist traurig wegen Markus.
Daniel ist traurig wegen Moonglow. Kalix ist traurig wegen Gawain.
Kalix legte das Tagebuch weg und kroch unter ihre Decke, dann starrte sie die Zimmerdecke an, bis das Laudanum sie so müde machte, dass sie einschlief.
406
i86
Malveria war unruhig. Für heute hatte sie geplant, nett zu Agrivex zu sein. Sie wusste, dass es schwierig werden würde. Was Malveria auch tat, ihre Nichte würde unweigerlich etwas Dummes sagen oder etwas Törichtes tun und sie unerträglich ärgern. »Warum«, überlegte Malveria, »unternehme ich überhaupt einen Versuch? Er ist schon jetzt zum Scheitern verurteilt.« Mit einem Mal ärgerte sie sich über die Zauberin. Thrix hatte gut reden, dass Malveria zu ihrer Familie nett sein solle. Die Werwölfin lag mit ihrer eigenen Familie im Dauerkrieg.
Malveria eilte durch ihren Palast und blieb vor dem Zimmer von Vex stehen. Sie zwang sich zu einem Lächeln, dann klopfte sie sacht gegen die Tür. Es kam keine Antwort. Sie öffnete die Tür und ging ins Zimmer, in dem ein erstaunliches Chaos herrschte. Malveria erblasste. Es war einige Zeit her, dass sie sich zum letzten Mal in Agrivex' Zimmer gewagt hatte, und sie hatte vollkommen verdrängt, wie schlimm es aussah. Jeder Zentimeter Boden war mit Kleidern, Spielzeug oder Zeitschriften übersät. Die Frisierkommode bog sich vor lauter Make-up. Die Wände waren mit einer unglaublichen Sammlung von Bildern bedeckt, die übereinander klebten, so dass kleine Ausschnitte von Vex'
Lieblingen wie Wahnsinnige hinter anderen Bildern hervorstarrten. Der einzige freie Flecken war die Decke, und Malveria erschrak, als sie sah, dass sie vor kurzem von äußerst ungeschickter Hand silbern angemalt worden war.
Vex schlummerte friedlich auf ihrem Bett, zum Teil unter einer rosafarbenen Decke, neben sich auf ihrem Kissen ihren Plüschdrachen. Als Malveria laut hüstelte, öffnete Vex die Augen.
»Geh weg«, sagte sie. »Ich bin noch nicht wach.«
Darauf hatte Malveria sich eingestellt. Egal, wie ärgerlich Agrivex sich heute auch benahm, Malveria wollte ruhig bleiben. Für 407
einen Feuergeist war das beinahe unmöglich, aber die Königin hatte beschlossen, es als Charakterprüfurig zu betrachten. Sie konnte sich doch sicher dazu zwingen, ihre Nichte einen Tag lang nicht anzuschreien, oder?
Malveria setzte sich auf das Bett.
»Wach auf. Heute ist ein besonderer Tag.«
»Nein, ist es nicht«, sagte Vex. »Heute ist nur wieder ein langweiliger Tag in diesem langweiligen Palast, und jetzt will ich wieder schlafen.«
»Ich möchte aber wirklich, dass du aufwachst«, drängte die Feuerkönigin.
Agrivex machte ein grimmiges Gesicht, dann zog sie sich die Decke über den Kopf. Malveria war überrascht. Sie riss die Decke herunter.
»Du wagst es, mich zu ignorieren, du -« Sie unterbrach sich. Was hatte die Zauberin ihr doch gleich geraten? Atme einmal tief durch, bevor du deine Nichte opferst. Sie holte tief Luft.
»Junge Nichte. Heute werde ich mit dir einkaufen gehen.«
Agrivex öffnete die Augen. Sie war interessiert, aber misstrauisch.
»Was meinst du mit einkaufen?«
»Sachen kaufen.«
»Was für Sachen? Langweilige Sachen? Etwa Sachen für den Unterricht?«
»Nein. Schöne Sachen. Für dich zum Anziehen.«
Vex setzte sich auf. Malveria war verärgert, als sie ihren Hello-Kitty-Pyjama sah.
Das niedliche Kätzchenmotiv war für eine Bewohnerin des Hiyasta-Palastes ausgesprochen unpassend. Sie sagte nichts dazu.
»Für mich zum Anziehen? Wieso? Soll ich geopfert werden?«
Malveria runzelte die Stirn.
»Warum sagst du das ständig?«
»Weil du mir ständig damit drohst.«
»Nun, heute nicht. Heute gehe ich mit dir einkaufen.«
407
»Neue Stiefel?«
»Vielleicht .. «, antwortete Malveria. »Was meinst du mit vielleicht}«
»Ich dachte, es wäre vielleicht an der Zeit, dir ein paar ansehnlichere Kleider zu kaufen als die, die du zurzeit trägst«, erklärte Malveria. »Passende Kleidungsstücke für eine junge Dame vom Stand der beinahe adoptierten Nichte der Königin.«
Vex verzog das Gesicht.
»Verstehe. Du zerrst mich mitten in der Nacht aus dem Bett, um mir
Weitere Kostenlose Bücher