Kalix - Die Werwölfin von London
Vermischung von Tieren und Menschen, die zu einer Zeit entstanden war, als übernatürliche Kräfte noch auf der Erde walteten. Von Ur aus verbreiteten sich die Werwölfe über Mesopotamien und zogen weiter Richtung Osten und 48
Norden. Viele ließen sich in der Türkei und Südfrankreich nieder, aber einige trieb es weiter, bis über den Ärmelkanal und schließlich nach Norden in die abgelegenen Berge und Wälder Schottlands. Während Werwölfe in vielen der Gebiete, in denen sie früher lebten, ausgestorben waren, war der MacRinnalch-Clan im Norden stark geblieben.
Niemand wusste, welche oder ob überhaupt eine dieser Geschichten wahr war.
Auf jeden Fall konnten die MacRinnalchs ihren Stammbaum bis zum Großen Grauen Wolf zurückverfolgen, bis zu Avreg MacRinnalch, der gegen Ende des neunten Jahrhunderts gegen die einfallenden Wikinger gekämpft hatte. Avreg lag in Colburn Wood bestattet, und sein Breitschwert wurde im Museum von Burg MacRinnalch verwahrt.
26
Thrix musterte das junge Pärchen, das vor ihr stand. Sie war schon früher Menschen begegnet, die von Wesen wie ihr fasziniert waren. Gehörten diese beiden dazu, wollten sie ihr Leben etwas aufregender gestalten, indem sie sich mit Werwölfen einließen? Oder schlimmer, wollten sie sich sogar verwandeln lassen? Hoffentlich nicht, dachte Thrix. Solche Leute hatten meist seltsame Vorstellungen über Werwölfe, romantische Fantasien davon, wie sie nachts durch Wälder streiften oder Ähnliches. Thrix hatte kein Interesse daran, nachts durch Wälder zu streifen. Sie hatte auch nicht das Gefühl, sie sei besonders im Einklang mit der Natur. In London kam sie kaum mit Natur in Berührung, und das war der Modedesignerin nur recht.
Einmal hatte Thrix einen Mann getötet, der gedroht hatte, sie als Werwölfin zu entlarven. Diese Erinnerung machte sie nicht
49
gerade stolz, und sei es nur, weil sie dadurch an ihre Nachlässigkeit erinnert wurde, durch die er das Geheimnis überhaupt hatte aufdecken können. Seitdem war sie sehr vorsichtig. Soweit Thrix wusste, war ihre persönliche Assistentin Ann der einzige Mensch, der ihr Geheimnis kannte. Und jetzt standen diese beiden hier, die durch ihre lästige Schwester Kalix von ihr erfahren hatten. Seit Kalix in London angekommen war, hatte Thrix genau das befürchtet. Deshalb hatte sie Kalix das Amulett überhaupt gegeben. Eher, damit sie keine Probleme machte, als um sie zu schützen. Die Zauberin steckte ihre ganze Energie in den Aufbau eines Modeimperiums und wollte sich nicht von dem Wahnsinn ablenken lassen, der ihre kleine Schwester stets umgab.
»Du hast sie gebadet?«
»Ja. Und sie war dreckig und dürr und —«
Thrix brachte Moonglow mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Ich habe dich beim ersten Mal verstanden.«
Thrix trug knallroten Lippenstift, der ihren breiten Mund betonte; bei dem Anblick überlegte Daniel besorgt, wie groß wohl ihr Maul war, wenn sie sich in eine Werwölfin verwandelte. Draußen wurde das Licht schon schwächer. Er wollte schnell weg und versuchte, die Sache zu beschleunigen.
»Du bist ja offensichtlich beschäftigt. Können wir einfach ein neues Amulett haben? Dann sind wir auch gleich wieder weg.«
Er strahlte sie an, als hätte er alle ihre Probleme gelöst. Daniel besaß ein schönes Lächeln. Die Zauberin bemerkte es nicht.
»Glaubst du, ich könnte dir einfach so ein neues Amulett geben? Meinst du, es war einfach, etwas zu finden, das meine Schwester vor ihren Jägern versteckt?
Das war es nicht. Was ist eigentlich mit dem Amulett passiert?«
»Ich glaube, sie hat es verloren«, sagte Moonglow.
»Wahrscheinlich eher verkauft«, sagte Thrix wütend. Sie konnte kaum glauben, dass sie dieses Gespräch führte. Für ein Mitglied 50
des MacRinnalch-Clans war es tabu, Werwolfangelegenheiten mit Menschen zu besprechen. Sie stand auf. Trotz der unangenehmen Situation war Daniel von ihrer grazilen Eleganz beeindruckt. Beim Anblick von Thrix' langem, blondem Haar, das ihr über die Schultern fiel, konnte er sich für das Thema Werwölfe schon etwas mehr begeistern. Ließ man das brutale Gemetzel beiseite, waren sie ohne Frage attraktiv.
»Ich werde allein darüber nachdenken«, sagte Thrix.
»Zum Nachdenken bleibt keine Zeit«, widersprach Moonglow. »Kalix ist zu schwach. Wenn noch jemand sie angreift, wird sie sterben.«
Thrix starrte Moonglow direkt in die Augen und sagte, die Angelegenheit stehe nicht zur Diskussion.
»Du musst helfen«, sagte Moonglow
Weitere Kostenlose Bücher