Kalix - Die Werwölfin von London
MacAllister. Nur Marwanis blieb auf Distanz. Sie sollte die Herrin der Werwölfe und alle, die zu Sarapens Sturz beigetragen hatten, für immer hassen.
Kalix würde nicht kommen. Sie war immer noch geächtet und hatte keine Einladung erhalten.
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Kalix lag in ihrem Lieblingsgebüsch im Kennington Park, weit weg von allen anderen. Sie starrte hinauf in den Himmel. Da oben gab es hundertfünfundzwanzig Milliarden Galaxien. Das wusste sie, weil Moonglow sich eine Wissenschaftssendung im Radio angehört hatte. Kalix versuchte, sich hundertfünfundzwanzig Milliarden Galaxien vorzustellen. Die Zahl war so groß, dass sogar der Gedanke daran sie verwirrte. Die junge Werwölfin lag auf dem Boden, sah hinauf zu den Sternen und war durcheinander. Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte. Die Affäre zwischen Gawain und Thrix konnte sie einfach nicht begreifen. Das hatte sie so schwer getroffen, dass sie am Boden zerstört war und sich kaum noch rühren konnte.
Manchmal stellte sie sich vor, wie sie Thrix angriff und Gawain tötete. Die Vorstellung tröstete sie für kurze Momente, aber dann wühlte sie Kalix noch mehr auf und verblasste schließlich, bis Kalix traurig zurückblieb. Ihre Angst war weniger geworden, die Depression hatte sie verdrängt. Besser ging es ihr dadurch nicht. Sie trank einen kleinen Schluck Laudanum. Bald würde sie den Krämer besuchen müssen, um sich Nachschub zu besorgen.
Kalix dachte flüchtig über ihre Familie nach. Sie hatte Sarapen getötet. Die Folgen konnte sie noch nicht absehen. Wahrscheinlich bedeutete es weiteren Ärger. Trauer wegen Gawain stieg in ihr auf. Sie fing an zu weinen, obwohl Werwölfe fast nie Tränen vergossen. Sie war so mitgenommen, dass sie etwas tat, das sie vorher noch nie gemacht hatte - sie riss sich mit den mächtigen Schneidezähnen den eigenen Arm auf. Danach fühlte sie sich etwas besser.
Als der Mond hoch am Himmel stand, nahm Kalix ihre reine Wolfsgestalt an, legte den Kopf in den Nacken und heulte den Mond an. In dem anhaltenden Ton lagen Schmerz und Trauer. Wer ihn hörte, schauderte und lief weiter, so schnell er konnte.
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Vor zwei Monaten war es dem Großen Rat nicht gelungen, einen neuen Fürsten zu wählen. Das würde sich nicht wiederholen. Nach Sarapens Tod war die Abstimmung kaum mehr als eine Formalität. Wäre Sarapen noch am Leben gewesen, wäre es knapper ausgefallen, aber höchstwahrscheinlich hätte Verasa sich trotzdem durchgesetzt. Sie hatte nie aufgehört, für Markus weitere Unterstützung zu sammeln.
Sarapens Leiche war nicht geborgen worden, aber er galt als tot. Kein Werwolf konnte es überleben, wenn man ihm das Begravarmesser tief in die Brust rammte. Keine Heilkraft und keine Zauberei konnten die Auswirkungen einer solchen Wunde aufheben, das hatte die Zauberin bestätigt. Kalix wurde von allen dafür verurteilt, dass sie eine derartige Waffe gegen einen anderen Werwolf gerichtet hatte, egal, ob er ein Todfeind war. Man verachtete sie etwas weniger, als Verasa in Umlauf brachte, Sarapen selbst hätte das Messer mitgebracht, aber einige glaubten ihr nicht und gingen eher davon aus, dass die Verbrecherin Kalix das Messer gestohlen hatte. Dominil verriet nicht, dass sie das Messer zum Gig mitgebracht hatte, und ebenso wenig Thrix.
Im Saal saßen fünfzehn Mitglieder des Großen Rats, nur Kalix und Decembrius fehlten. Die Atmosphäre war weniger feindselig, als man hätte erwarten können. Die Herrin der Werwölfe hatte die besiegten Barone großmütig behandelt und sie ohne eine Spur von Triumph oder Verbitterung willkommen geheißen. Jetzt wünschten sich die meisten Anhänger von Sarapen wieder friedlichere Zeiten. Unter den Baronen war nur dem jungen MacAllister Groll anzumerken, und er bemühte sich, ihn zu unterdrücken. Dies war seine erste Ratssitzung, und er wollte nicht unstaatsmän-nisch wirken. Allein Marwanis gab sich offen feindselig.
Als Rainal die Benennungen zum Fürsten einforderte, sagte nie 491
mand etwas. Dominil blieb stumm. Nachdem Sarapen besiegt war, verspürte Dominil keinen Drang mehr, jemanden zu benennen. Verasa richtete den Blick auf Kurian.
»Ich nominiere Markus MacRinnalch«, sagte Kurian.
Kurian, ein Bruder des früheren Fürsten, war gut geeignet, um Markus vorzuschlagen. Durch seinen schlechten Gesundheitszustand war er leicht zu beeinflussen. Außerdem machte er sich Sorgen darüber, was die Herrin der Werwölfe mit seinem Sohn Kertal nach dessen Verhaftung
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