Kalix - Die Werwölfin von London
alle Kleider der Königin vernichtet. Thrix' Arbeit war umsonst gewesen. Die Zauberin hob die verkohlten Überreste einer leeren Hutschachtel hoch und kämpfte mit den Tränen. Sie liebte die Kleider, die sie entwarf. Das war nicht nur ein Geschäft für sie. Dafür hätte sie die Prinzessin umbringen können.
Thrix dachte daran, wie Malveria ihr gerade erst zu Hilfe gekommen war. Weil sie fand, dass es ihre Pflicht sei, ihre Freundin in dieser schweren Stunde zu trösten, verließ sie den Dachboden wieder, obwohl ihr Herz so schwer war und Malverias Trauer so groß, dass sie keine Ahnung hatte, was sie sagen konnte, um sie zu trösten.
Daniel und Moonglow saßen stumm da. Moonglow war extrem blass. Als sie beobachtet hatte, wie Kalix Mikulanec tötete, war ihr schlecht geworden. Sie wünschte, sie hätte das nie gesehen. Kalix war in ihrem Zimmer verschwunden.
Nur Vex war munter. Sie war immer noch aufgedreht vom Gig und wollte das mit jedem teilen. Ohne den Trübsinn in der ganzen Wohnung im Geringsten zu beachten, plapperte sie in einem fort über ihre Lieblingssongs des Abends.
Schließlich hob Malveria den Kopf.
»Agrivex, bitte. Sei einmal im Leben still.«
Moonglow ging zu Kalix' Zimmer, um nach ihr zu sehen. Sie befürchtete, die junge Werwölfin könne sich den Arm zerschneiden, als hätte sie nicht schon genug Verletzungen. Die Zauberin kam nach unten und nahm Malveria in den Arm.
»Für die nächste Gelegenheit entwerfe ich dir fantastische Out-fits«, sagte sie.
»Es wird keine nächste Gelegenheit geben«, schluchzte Malveria. »Ich bin ruiniert. Ich kann meinen Palast nie wieder verlassen.« Als Moonglow Kalix fand, schlief sie, immer noch in ihrem
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Mantel. Es roch stark nach Laudanum. Moonglow nahm Kalix die Sonnenbrille ab, zog ihr die Stiefel aus und deckte sie zu. Als sie sich umdrehte, sah sie etwas, das sie zum Lächeln brachte. Schnell lief sie ins Wohnzimmer, wo Daniel Malveria gerade half, eine kleine Teetasse an die Lippen zu führen.
»Deine Kleider sind in Kalix' Zimmer«, sagte Moonglow. »Sie liegen auf dem Boden.«
Die Königin riss überrascht die Augen auf.
»Kalix hat meine Kleider? Das klingt aber unwahrscheinlich.«
Moonglow und die Zauberin sahen Vex an.
»Na ja, ihr wisst doch, wie Kalix ist«, sagte Vex. »Sie nimmt sich ständig Sachen, die ihr nicht gehören.«
Malveria richtete sich majestätisch zu ihrer vollen Größe auf.
»Elende Nichte, das ist dein Werk! Wie viele von meinen Kleidern sind da?«
»Woher soll ich das wissen?«, protestierte Vex. »Ich habe sie nicht angefasst.
Ein paar Outfits vielleicht. Kalix hat mich dazu gebracht.«
Malveria war schon auf dem Weg zu Kalix' Zimmer, die Zauberin dicht auf den Fersen. Dort fanden sie den ganzen Raum voller Kleider, Schuhe, Hüte, Mäntel und Accessoires.
»Was hat meine idiotische Nichte getan?«, rief Malveria, während sie die zerknitterten Sachen durchwühlte.
»Geh mal zurück«, sagte Thrix und hob den Arm. Sie beherrschte meisterhaft jeden Modezauber und konnte durch Magie alle Stücke rasch auseinandersortieren und zu Outfits anordnen.
»Die meisten Sachen sind da«, sagte die Zauberin. »Bestimmt hat Vex sie anprobiert und nicht daran gedacht, sie zurückzuhängen.«
Malveria schwebte eine Handbreit über dem Fußboden. »Das ist ein Wunder.
Aber sie sind so faltig und zerknittert ...« »Keine Sorge«, sagte Thrix. »Das kann ich in Ordnung bringen.«
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»Wunderbar«, antwortete Malveria, die wie verjüngt wirkte. »Ich gehe in der Zwischenzeit Agrivex umbringen.«
Malveria schwebte zurück ins Wohnzimmer, packte Vex bei der Kehle und hob sie vom Boden hoch.
»Abscheulichste aller niemals adoptierten Nichten! Nicht einmal in der trüben Geschichte deiner bisherigen Verbrechen findet sich etwas Vergleichbares. Du musst sterben. Der Vulkan wartet schon.«
»Halt!«, rief Moonglow.
Malveria sah sie höflich an.
»Ja, bitte?«
»Du kannst Vex nicht umbringen.«
»Und weshalb nicht?«
»Sie hat deine Kleider gerettet.«
»Das stimmt«, sagte Thrix, als sie hereinkam. »Hätte sie die Sachen nicht herausgeholt, hätte Kabachetkas Zauber alles vernichtet.«
»Genau«, rief Vex und wand sich aus Malverias Griff. »Das ist doch der entscheidende Punkt. Durch einen gerissenen Plan habe ich deine Kleider gerettet.«
»Du hattest keinen gerissenen Plan.«
»Hatte ich wohl! Ich wusste, dass die Sachen auf dem Dachboden nicht sicher sind. Ich habe sie beschützt. Ich sollte eine
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