Kalix - Die Werwölfin von London
Belohnung bekommen. Vielleicht ein paar neue Stiefel.«
»Pah!«, machte Malveria. »Um dich kümmere ich mich später. Mit aller Strenge. Nun, Zauberin, wie viel kann aus den Trümmern gerettet werden?«
»Ich glaube, das meiste.«
Rund um die Zauberin schwebte ein Karussell aus Kleidern, die sie rasch durchsah.
»Von der Abendgarderobe ist das meiste da, auch alles für die ersten beiden Tage. Ein paar Sachen für den vierten Tag fehlen, aber das Ballkleid ist unversehrt. Die fehlenden Sachen kann ich ersetzen, bevor du sie brauchst.«
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»Das ist wirklich ein wunderbares Ende«, rief Malveria, die immer noch einige Zentimeter über dem Boden schwebte. »Ich bin immer noch die Herrin der Modewelt. Wie wird sich Kabachetka grämen, wenn ich - spät, aber nicht untragbar spät - in der vollen Pracht meiner neuen Gewänder bei Livias Feier erscheine.«
Die Zauberin schürzte die Lippen.
»Mit einer Ausnahme.«
»Welche sollte das sein?«
»Dein bester Abendmantel. Für deine Ankunft. Du trägst ihn gerade. Oder zumindest das, was davon übrig ist.«
Malveria blickte auf ihren Mantel hinunter. Er war an sechs Stellen gerissen und überall mit Blut bedeckt. Sie sank auf den Boden hinab, ging zum Sofa und vergrub das Gesicht in einem Kissen.
»Kannst du ihn nicht mit Magie flicken?«, schlug Moonglow vor. Die Zauberin schüttelte den Kopf. Hervorragende Schneiderkunst war absolut entscheidend.
Erst letzte Woche hatte Beau DeMortalis in Malverias Palast einen wunderbaren Kurzmantel weggeworfen, weil ihm ein unbedeutendes Malheur passiert war, nicht mehr als ein winziger Kratzer von einem Dorn.
»Man kann schließlich nicht mit magisch reparierten Kleidern umherlaufen«, hatte er gesagt. »Wie ein gewöhnlicher Handlanger.«
Malverias Mantel war ruiniert. Nicht nur das, die Königin hatte auch noch vor dem Kampf ihre Schuhe ausgezogen und sie in Camden gelassen. Thrix suchte fieberhaft nach einer Lösung.
»Vielleicht finde ich im Lagerhaus etwas«, schlug sie vor.
»Von der Stange?« Malveria rang nach Luft, dann fing sie an zu weinen.
»Muss die Kleidung denn festlich sein?«, fragte Daniel. »Sehr sogar. Die Ankunft ist ein extrem festlicher Moment.« »Ach. Schade. Sonst hättest du mit dem Blut und allem als triumphierende Kriegerkönigin auftreten können.«
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»Rede bitte keinen Unsinn«, sagte Malveria. »Ich habe schon genug unter Agrivex zu leiden.«
»Aber wäre eine gerade überstandene Schlacht nicht bedeutsamer als Mode?«
»Nichts ist bedeutsamer als Mode.«
»Vielleicht könnte man es als Mode betrachten, die vorgibt, der Mode ihre Bedeutung abzusprechen«, schlug Daniel vor, der, warum auch immer, letzte Woche in seinem Seminar über kulturelle Identität in der Postmoderne aufgepasst hatte. »Tu so, als hättest du von Anfang an in einem zerrissenen Mantel kommen wollen.«
Thrix wollte Daniels Idee nicht gleich verwerfen.
»Es wäre eine Überlegung wert. Gib vor, du hättest es dir so ausgesucht. Steig mit deinem blutbefleckten Mantel und deinem Streitkolben in die Kutsche und tu bei deiner Ankunft so, als würdest du sagen: Hier kommt Malveria, die triumphierende Kriegerkönigin, und sie trägt mit voller Absicht die zerfetzten Überreste ihrer Abendgarderobe, die immer noch prächtiger sind als alles, was ihr tragt.«
Malveria runzelte die Stirn.
»Das ist eine riskante Strategie angesichts von Beau DeMortalis und seiner gnadenlosen Kritik.« Sie überlegte einen Moment lang.
»Es könnte machbar sein. Eine andere käme damit natürlich nicht durch. Aber ich bin schließlich eine triumphierende Kriegerkönigin, nicht wahr?«
»Du warst im Kampf sagenhaft«, versicherte Thrix ihr.
Malveria betrachtete unzufrieden ihren zerrissenen Mantel.
»Aber die Risse sind ganz falsch. Sie passen nicht zueinander. Und die Blutflecke sind sehr dürftig angeordnet.« Sie stand schleunig auf. »Komm, liebste Zauberin, du musst mir helfen, etwas Ordnung in dieses Chaos zu bringen.«
Malveria gab Daniel zum Dank für seinen Vorschlag einen Kuss auf die Wange.
Er errötete, wie jedes Mal. Malveria lachte, dann ging sie mit Thrix auf den Dachboden, um ihre Sachen neu zu
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ordnen. Dort machten sie sich daran, an ästhetisch gefälligeren Stellen weiteren Schaden anzurichten.
»Wir müssen noch etwas mit deinem Schmuck anstellen«, sagte Thrix. »Die Smaragde passen einfach nicht zum Blut.«
Sie dachte kurz nach.
»Hast du noch die Kette, die Agrivex für dich gekauft hat?«
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