Kalix - Die Werwölfin von London
Bolan, das auf einem von Daniels T-Shirts prangte.
Markus durchstöberte die Sachen auf der Kleiderstange. Plötzlich schien er eine Entscheidung zu treffen. Er ging schnell hinüber zur Tür und schloss ab, dann zog er seine Jacke und sein Hemd aus. Moonglow bemerkte, dass er einen schlanken, muskulösen Oberkörper besaß. Er nahm eine Bluse von der Kleiderstange und schlüpfte mit einer geübten Bewegung hinein.
Daniel und Moonglow warfen sich einen erstaunten Blick zu. Die Bluse war aus fließender gelber Seide und ein ausgesprochen feminines Kleidungsstück. Jetzt betrachtete Markus sich im großen Spiegel. Er plusterte sich nicht auf oder stolzierte umher oder tat irgendetwas Extravagantes. Er sah sich einfach nur an.
Offensichtlich zufrieden zog er die Bluse rasch wieder aus, hängte sie sorgfältig auf und zog sein eigenes Hemd und die Jacke wieder an. Gerade, als er die Bürotür aufschloss, tauchten Thrix und Malveria auf.
Daniel und Moonglow waren bass erstaunt.
»Was für ein Freak«, zischte Daniel. Moonglow nickte leicht, als würde sie ihm zustimmen. Aber eigentlich dachte sie, dass Markus in der gelben Seidenbluse das Schönste war, was sie je gesehen hatte.
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Kalix und Gawain hatten sich stürmisch geliebt. Mit vierzehn war Kalix mager, aber gesund und voller Energie und Enthusiasmus. Gawain besuchte die Burg oft mit seinem Vater, solange dieser noch lebte. Sein Vater war ein angesehenes Mitglied des MacRinnalch-Clans und ein Freund der Herrscherfamilie.
Kalix schlich sich dann durch die steinernen Gänge von Burg MacRinnalch in den Bereich, in dem die Gäste untergebracht wurden, und bis zu Gawains Zimmer. Sie war geschickt und extrem verstohlen, sie konnte sich in die Schatten drücken, wenn jemand in ihre Nähe kam, und dort still verharren, bis sie allein war. Sie ging so leise, dass nicht einmal die Mäuse der Burg sie bemerkten. Schließlich erreichte sie Gawains Kammer, manchmal als Werwölfin und manchmal als Mensch, je nach ihrer Stimmung. Gawain wartete dann auf sie; wenn sie sich der Tür näherte, erkannte er ihren Geruch und ließ sie rasch herein. Gawain war damals achtzehn und machte sich Sorgen, was der Fürst sagen würde, wenn er sie erwischte, aber Kalix ließ ihm kaum Zeit zum Grübeln. Sie sprang auf sein Bett, und den Rest der Nacht lang liebten sie sich, bis Gawain schließlich erschöpft war und Kalix in Wolfsgestalt zufrieden keuchend und knurrend neben ihm lag. Erst wenn die lange schottische Nacht fast zu Ende ging, machte Kalix sich auf den Rückweg und verschlief dann den halben Tag. Niemand schöpfte Verdacht, nur ihre Mutter kritisierte sie.
»Kein Wunder, dass ihr Privatlehrer sie nicht unterrichten will«, beschwerte Verasa sich bei Kalix' Brüdern. »Ein fauleres Mädchen kann man sich nicht vorstellen.«
Ihre Brüder hörten sich die Beschwerden ihrer Mutter an, aber sie waren im Grunde nicht an Kalix oder ihrem Treiben interessiert. Und der Fürst schien sie überhaupt nicht zu beachten.
Jetzt lag Kalix ausgehungert, verletzt und blutend unter einem 68
Stapel verrotteter Pappkartons in einer feuchten Gasse in Südlondon. Vor einer Weile hatte sie das Bewusstsein verloren. Sie träumte, sie wäre mit Gawain zusammen, sie würden in Colburn Wood einen Hirsch hetzen. Sie töteten den Hirsch und aßen ihn an einem Lagerfeuer auf einer Lichtung, dann wuschen sie sich an einem Bach das Blut vom Maul. Danach legten sie sich bei Vollmond ans Ufer und beobachteten das dunkle Wasser, das an ihnen vorbeifloss. Sie sprachen darüber, was sie zusammen tun konnten, und Gawain erzählte, er hätte schon immer um die Welt reisen wollen. Kalix war begeistert und sagte, sie würde mit ihm gehen. Mit Gawain würde sie überallhin gehen.
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Decembrius fand seinen Besuch bei den Zwillingen extrem zermürbend. Sie kamen nicht auf einen Nenner. Genauer gesagt konnten sie sich kaum vernünftig unterhalten. Die beiden jungen Werwölfinnen schienen in ihrer eigenen Welt zu leben, zu der Decembrius keinen Zugang hatte. Beauty und Delicious führten eine durchgehende Unterhaltung, die Decembrius nicht einmal richtig verstand.
»He, Ische, gibt mal das Skunk.«
»Liegt unter deiner Gitarre, Schlampe.«
Und so weiter. Decembrius, von der Burg her einen formelleren Ton gewohnt, war sprachlos. Die Schwestern beleidigten sich gegenseitig und lachten sich dann über Dinge halbtot, die überhaupt nicht witzig erschienen. Als er sie mit ihren richtigen Namen Butix und Delix
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