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Kalix - Die Werwölfin von London

Kalix - Die Werwölfin von London

Titel: Kalix - Die Werwölfin von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Millar
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den Text von Cherry Bomb hörte. Rennend überquerte sie die Vauxhall Bridge, nicht aus Angst, sondern weil ihr einfach danach war. Beim Laufen bauschte sich ihr langes Haar hinter ihr auf wie ein großes Segel. Auf der anderen Flussseite sprang sie behände über einen hohen Zaun und ging hinunter zum Ufer, wo sie allein sein würde. Sie setzte sich so hin, dass ihre Füße über dem dunklen Wasser der Themse baumelten, holte ihr Tagebuch heraus und fing an zu schreiben.
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    Gleich nach dem Begräbnis wurde Gawain festgenommen. Widerstandslos ging er mit. Er wurde in den dunklen, feuchten Kerker gebracht. Heutzutage wurde der Kerker nur selten benutzt, aber seine Wände waren sehr dick und die Türen solide. Von dort
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    konnte nicht einmal der stärkste Werwolf fliehen. Gawain unternahm auch gar keinen Fluchtversuch. Er wollte die Herrin der Werwölfe treffen und etwas über Kalix erfahren.
    Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt dachte Gawain an seine früheren, glücklicheren Besuche in der Burg. Gawain war der Ururenkel des berühmten Kämpfers Gerrant Gawain MacRinnalch. Seine Familie war immer willkommen gewesen. Es tat ihrem Stand nur leichten Abbruch, als Gawains Großvater eine menschliche Frau heiratete. Durch das Viertel menschliches Blut wäre Gawain nicht vieles versperrt geblieben, aber es hätte immerhin bedeutet, dass er nie einen Sitz im Großen Rat hätte einnehmen können. Davon abgesehen konnte er tun, was er wollte, außer mit der halbwüchsigen Tochter des Fürsten zu schlafen.
    Hoch über dem Kerker, in den Gemächern der Herrin der Werwölfe, unterhielt sich Verasa mit Markus. Thrix war bereits abgereist, sie hatte so schnell wie möglich nach London zurückkehren wollen. Sarapen war ebenfalls fort und unterwegs zu seinem eigenen großen Wohnturm weiter östlich. Nach dem Begräbnis hatte er weder mit Verasa noch mit Markus ein Wort gewechselt. Er hatte Rainal formell mitgeteilt, dass er in einem Monat zum nächsten Treffen des Großen Rats zurückkommen würde. Baron MacPhee und Baron MacGregor hatten sich respektvoll von der Herrin der Werwölfe verabschiedet, aber ihr Unbehagen über die Ereignisse der letzten Tage war offensichtlich.
    Verasa seufzte.
    »Wenn der Fürst nur ein paar Monate länger durchgehalten hätte, dann hätte ich dich bequem in einer Sitzung zum Fürsten machen können.«
    Markus nickte. Seine Mutter war immer noch überzeugt davon, genug Stimmen zusammenzubekommen, aber was würde Sarapen in der Zwischenzeit unternehmen?
    »Versuchen, Kalix zu fangen oder zu töten, sich Baron MacAllister vornehmen, wahrscheinlich bei Thrix vorstellig werden«, sag 134
    te Verasa. »Ginge es nur nach ihm, würde er sicher jeden töten, der sich ihm entgegenstellt, aber er hat ein paar gute Berater. Mirasen ist klug.«
    Als seine Mutter zum ersten Mal angeregt hatte, er könne Fürst werden, hatte Markus wenig überzeugt reagiert und es nicht für möglich gehalten. Jetzt hatte sich das geändert. Die Aussicht, seinen Bruder endlich zu übertrumpfen, war verlockend.
    »Geht Dominil tatsächlich nach London?«
    »Ja.«
    Markus konnte sich nicht erinnern, dass Dominil, abgesehen von ihrem Aufenthalt in Oxford, jemals woanders gewesen wäre.

    »Ich bin verblüfft, Mutter. Die Vorstellung, dass sich die träge Dominil aufrafft und in den Süden geht, ist erstaunlich. Und dass sie sich sogar um die Zwillinge kümmern will.«
    »Sie hat sich gelangweilt, mein Lieber. Ich glaube, Langeweile könnte sogar die entscheidende Größe in ihrem Leben sein.«
    »Was hat sie eigentlich in den letzten sechs Jahren gemacht?«
    »Lateinische Gedichte übersetzt. Und sich mit Computern beschäftigt, glaube ich.«
    Verasa wusste über Dominus Privatleben mehr als Markus, aber sie teilte ihr Wissen nicht mit ihm.
    »Aber jetzt will sie etwas tun. Die Zwillinge brauchen Hilfe. Und wer weiß, vielleicht sagt Dominil diese Aufgabe sogar zu.«
    »Weiß sie, worauf sie sich da einlässt?«, fragte Markus.
    »Wahrscheinlich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass sie damit fertig wird.«
    »Hat sie denn Ahnung vom Musikgeschäft?«
    »Sie sagt nein. Aber ich traue ihr die Aufgabe zu. Ich bin sicher, dass Dominil alles beschaffen kann, was Butix und Delix brauchen.«
    Markus glaubte nicht, dass die verkommenen Zwillinge auf Burg MacRinnalch auftauchen und für ihn stimmen würden, egal, womit seine Mutter sie auch bestach, aber er fand es ebenfalls
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    angeraten, sie zu beschützen. Wenn sie starben, würden

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