Kalix - Die Werwölfin von London
Jäger wartete, bis die Werwölfin mit ihrem scharfen Gehör ein gutes Stück entfernt war, dann flüsterte er seinen Begleitern etwas zu.
»Das ist Kalix MacRinnalch.«
»Die Werwolfprinzessin?«
Seine Begleiter hatten eine eindrucksvollere Gestalt erwartet als dieses dürre Mädchen mit langen Haaren, das unsicher die Straße zur Vauxhall Bridge hinaufging.
»Sie sieht gar nicht wie eine Prinzessin aus.«
»Ist doch egal, wie sie aussieht. Hinterher.«
Sie folgten ihr, zuerst unauffällig, aber dann entschlossener, als sie merkten, dass Kalix nicht auf ihre Umgebung achtete. Die Werwölfin schien gar nicht zu bemerken, was sie tat, und rempelte mehr als einmal fast andere Fußgänger an.
Der Anführer kannte diese Gegend gut. Die Straße zur Vauxhall Bridge führte unter mehreren Eisenbahnbrücken in der Nähe des Flusses hindurch. Rund um die Brücken gab es einige einsame Ecken mit kleinen Fabrikgebäuden, die zum Großteil leerstanden. Der ideale Ort für einen Angriff. Jeder Jäger trug versteckt in einem Schulterholster eine Pistole, die mit Silberkugeln geladen war. Die Gilde tötete Werwölfe zwar vorzugsweise in ihrer Wolfsgestalt, aber eine Tochter des Fürsten war zu wichtig, um sie entwischen zu lassen. Zudem war es ausgeschlossen, dass sie aus Versehen einen Menschen angriffen. Das war Kalix MacRinnalch. Wenn sie erst einmal tot war, würde das niemand der Polizei melden. Sie holten auf und machten sich bereit, sie zu töten. Als das Mädchen in den Schatten
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der ersten Brücke trat, gab der Anführer einen Befehl, und die drei Männer rannten los.
Kalix' furchtbare Angst hatte ihre sonst scharfen Sinne abgestumpft, sie hatte ihre Verfolger weder riechen noch hören können. Das kostete sie fast das Leben. In letzter Sekunde spürte sie die Jäger. Sie wirbelte herum, sah die drei Männer auf sich zurennen und floh. Ihre Angst verschwand, ebenso wie ihre Schwäche. Mit noch so viel Erbrechen hatte Kalix das ganze Essen von letzter Nacht nicht aus ihrem Körper bekommen, und ob es ihr gefiel oder nicht, sie war wieder stark. Das junge Mädchen, das als einziges Mitglied der herrschenden Familie als Werwölfin zur Welt gekommen war, floh so schnell, dass ihre Verfolger keuchend zurückblieben. Kalix verschwand unter dem Brückenbogen, bevor sie auch nur einen einzigen Schuss abfeuern konnten. Die Jäger setzten ihr nach, rasten um die Ecke und blieben dann angespannt stehen, um nach einer Spur von ihr zu suchen.
»Seht da unten -«, fing der Anführer an, dann verstummte er plötzlich, als Kalix von oben auf ihn herabsprang. Kalix wollte vor der verhassten Gilde nicht davonlaufen, und als sie gemerkt hatte, dass ihre Stärke zurückgekehrt war, wollte sie selbst zum Angriff übergehen. Sie war an der Wand hinaufgeklettert und hatte sich festgehalten, bis die Jäger direkt unter ihr standen. Sie landete genau auf dem Anführer, und während sie zusammen zu Boden gingen, riss sie seinen Kopf brutal zur Seite. Kalix sprang sofort auf die Füße. Der Jäger blieb mit gebrochenem Genick liegen. Die beiden anderen wollten ihre Waffen aus den Schulterholstern ziehen, aber Kalix war viel zu schnell für sie. Einen schleuderte sie mit einem Tritt nach hinten, dann hämmerte sie dem anderen ihre Faust gegen die Kehle. Er fiel bewusstlos hin. Der dritte Jäger, dem Kalix mit ihrem mächtigen Tritt mehrere Rippen gebrochen hatte, versuchte sich auf die Füße zu kämpfen, aber Kalix trat ihm noch einmal voll ins Gesicht, und er sackte zu Boden.
Nach wenigen Sekunden war alles vorbei. Kalix betrachtete die 133
drei Männer. Einer war tot, einer lag wahrscheinlich im Sterben und der Dritte würde vielleicht überleben. Kalix war nicht bereit, ihn am Leben zu lassen. Die Gilde hatte ihresgleichen gnadenlos gejagt und getötet. Sie ging hinüber zu dem Mann mit dem blutverschmierten Gesicht und trat so hart mit dem Absatz auf seine Brust, dass seine Rippen brachen. Blut sickerte aus seinem Mund. Bevor die junge Werwölfin sich davonmachte, griff sie rasch in die Jacken der Jäger und nahm ihre Brieftaschen heraus. Zufrieden zog Kalix ab.
Sie fühlte sich besser. Ihre Angst war verschwunden, das überschüssige Adrenalin im Kampf verbraucht. Kalix kam an einem Café vorbei und bemerkte ihr Spiegelbild im Fenster. Sie sah schrecklich aus. Sie wischte sich das Gesicht ab, kramte in ihrer Tasche herum, fand ihre Sonnenbrille und setzte sie auf.
Dann lief sie die Straße hinauf, während sie in ihrem Kopf
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