Kalix - Die Werwölfin von London
würden ändern müssen, wenn sie ihnen helfen sollte.
Als sie mit einem Tablett voll Kaffee ins Wohnzimmer zurückkehrte, regte sich der junge Mann und öffnete die Augen.
»Wohnst du hier?«, fragte die Werwölfin.
»Nein«, murmelte er und langte nach einer viertelvollen Flasche Whisky in seiner Nähe. Dominil hielt seine Hand fest und zog ihn hoch.
»Dann solltest du jetzt gehen«, sagte sie und schob ihn Richtung Tür. Er beschwerte sich, aber obwohl er ein gutes Stück größer war als Dominil, war sie ungleich kräftiger. Sie stellte ihn auf der obersten Treppenstufe ab, schloss die Tür, dann hob sie Beauty im Flur auf und trug sie ins Wohnzimmer. Sie fegte diversen Plunder vom Sofa und setzte die Zwillinge aufrecht hin.
»Wacht auf«, sagte Dominil. »Auf uns wartet Arbeit.«
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»Können Sie nicht für mich absagen?«, fragte Thrix fast schon weinerlich.
»Auf keinen Fall«, antwortete Ann streng.
»New York ruft vielleicht an, die Büros drüben sind noch geöffnet.«
»Ich kann eine Nachricht für Sie aufschreiben.«
»Das lassen Sie schön sein«, verlangte Thrix. »Stellen Sie den Anruf ins Restaurant durch.«
Ann willigte ein, wenn auch nur widerwillig. Sie dachte, Thrix' Begleiter würde sich das Essen sicher nicht gerne durch einen Geschäftsanruf verderben lassen.
Die Zauberin bestand darauf.
»Ich muss möglichst bald mit ihnen reden. Ich sollte wirklich nicht essen gehen.«
»Hören Sie auf, nach Ausreden zu suchen«, sagte Ann. »Sie gehen zu dieser Verabredung, und damit hat es sich.«
»Seit wann gehört es zu Ihren Aufgaben, mich zu Verabredungen zu zwingen?«
»Seit Sie mit Trauermiene durch das Büro laufen und jammern, dass Sie keinen Freund haben«, sagte Ann.
»Ich jammere nicht. Vielleicht mache ich ab und zu mal eine Bemerkung.«
Thrix suchte immer noch nach Gründen, nicht zu gehen, aber abgesehen davon, dass sie nicht in der richtigen Stimmung war, wollten ihr keine weiteren Einwände einfallen.
»Wenn Sie erst einmal im Restaurant sind, kommt das schon. Ihre letzte Verabredung ist fast ein Jahr her. Und jetzt gehen Sie und amüsieren Sie sich.«
Ann wusste nicht, warum ihre Chefin, die auf anderen Gebieten so erfolgreich war, sich bei Verabredungen so schwertat. Eine so schöne, intelligente und erfolgreiche Frau wie Thrix sollte doch
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mit Leichtigkeit einen passenden Partner finden. Aber leider schien Thrix nach einigen fehlgeschlagenen Romanzen alle Zuversicht verloren zu haben.
»Der letzte Mann, mit dem ich essen gegangen bin, war eine richtige Scheidungskatastrophe. Sein einziges Thema war seine Ex-Frau. Nach einer Stunde hätte ich sie am liebsten angerufen und ihr dazu gratuliert, dass sie ihn losgeworden ist.«
Das wischte Ann beiseite.
»Donald Carver ist eine sehr gute Partie und war nie verheiratet. Und er sieht gut aus und arbeitet beim Film, damit haben Sie schon ein interessantes Gesprächsthema.«
»Und wenn ich nicht über Filme reden will? Warum hat er mich überhaupt eingeladen? Will er sich über eine verpatzte Beziehung hinwegtrösten? Gefällt Ihnen mein Outfit wirklich?«
»Genauso gut wie bei den letzten zehn Malen, als Sie gefragt haben. Und er will sich nicht über eine Beziehung hinwegtrösten, er hatte nämlich schon seit einer Weile keine Beziehung mehr.«
»Was stimmt dann nicht mit ihm?«, fragte Thrix. »Ist er langweilig?«
»Ihr Taxi wartet«, sagte Ann und scheuchte die Zauberin aus ihrem Büro. »Viel Spaß.«
Thrix fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und stieg widerwillig in ihr Taxi.
Donald Carver war wirklich sympathisch und recht attraktiv. Leider war Thrix durch ihre Pechsträhne in Liebesdingen pessimistisch geworden. Sie rechnete fest damit, dass etwas schieflaufen würde. Sie überlegte, wie alt er wohl war.
Um die dreißig, schätzte sie. Etwa ebenso alt wie Thrix nach menschlichen Maßstäben, obwohl sie in Wahrheit beinahe achtzig Jahre alt war. Sie überlegte, was ihr Begleiter wohl dazu sagen würde, mit einer achtzigjährigen Werwölfin auszugehen.
Der Clan missbilligte es, wenn Werwölfe Beziehungen mit Menschen eingingen, aus Angst, ihr wahres Wesen könnte entdeckt werden. Thrix ignorierte das.
Niemand konnte erkennen,
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dass die blonde Modedesignerin eine Werwölfin war, nicht einmal erfahrene Jäger. Die Zauberin tarnte sich so gut durch Magie, dass sie nicht entdeckt werden konnte. Außer natürlich von Malveria. Sie hatte Thrix sofort durchschaut. Es war sehr schwierig, vor der
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