Kalix - Die Werwölfin von London
zu werden.«
»Hast du dir deshalb solche Umstände gemacht?«, fragte die Zauberin. Es hatte sie sehr überrascht, dass Malveria Kalix nicht nur ein neues Amulett beschafft, sondern sie sogar aus der Nähe der Wälder der toten Werwölfe zurückgeholt hatte. Die Zauberin wusste, wie viel Kraft das gekostet haben musste. Allerdings wusste sie nicht, welchen Preis Malveria dafür von Moonglow verlangt hatte, und glaubte, Malveria hätte Kalix als Gefallen ihr gegenüber gerettet. Der Handel mit Moonglow blieb Malverias Geheimnis, das ihr noch Kurzweil bieten sollte.
»Darf ich bleiben, wenn Dominil kommt? Ich bin neugierig auf diese weißhaarige Wölfin, vor der alle zittern.«
Thrix musterte Malveria.
»Wie langweilig ist dir eigentlich?«
»Sehr langweilig«, gab Malveria zu. »Manchmal bedaure ich, dass ich meine Feinde so vollkommen bezwungen habe. Da fällt mir ein - morgen treffe ich die Tochter meines Botschafters bei der verfluchten Kaiserin Asaratanti. Vielleicht finde ich heraus, wer der Spion ist, der uns so quält. Was werde ich den Schuldigen leiden lassen!«
Thrix ließ den Kopf hängen. Sie murmelte ein Wort und löste damit den Bann, der ihre Verwandlung aufgehalten hatte. Als die 167
Werwolfgestalt durchkam, seufzte sie wie eine Frau, die nach einem langen Tag beim Shoppen ihre unbequemen Schuhe auszieht.
»Ach, Thrix, spürst du die Wirkung von zu viel Wein? Ich hoffe, du hast den Mann nicht mit Trunkenheit abgeschreckt. So etwas ist nie damenhaft, weißt du.«
»Er war schon längst abgeschreckt, als ich mich betrunken habe.«
»Trink noch etwas Kaffee und werde wach«, sagte Malveria. »Denn wenn mir mein Gedächtnis keinen grausamen Streich spielt, zeigt dein wunderbarer Fernseher mit den vielen, vielen Programmen heute Nacht diese herrliche japanische Modenschau.«
Die Feuerkönigin schaltete den Fernseher ein und benutzte die Fernbedienung mit dem triumphalen Gehabe einer Frau, die diese schwierige Aufgabe gemeistert hat, obwohl Technologie in ihrem Reich nur in Grundzügen existierte. Sie kreischte vor Begeisterung, als ein junges japanisches Model in einem schwarzen Kimono über den Bildschirm schwebte. Die Feuerkönigin war von Kleidern noch besessener als sonst. Es gab für sie nichts Wichtigeres als die Aussicht auf einen großen modischen Triumph bei der anstehenden Geburtstagsfeier von Hexe Livia.
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Kalix wachte auf und fragte sich, wo sie war. Ihr fiel ein, dass sie in der Wohnung von Daniel und Moonglow lag. Sie dachte ans Fernsehen und lächelte. Dann dachte sie daran, wie viel sie in der letzten Nacht gegessen hatte, und sofort wurde ihr schlecht.
Moonglow streckte den Kopf durch die Badezimmertür, als Kalix sich heftig übergab. Weil sie nicht wieder einen Schlag kassieren wollte, ließ sie Kalix in Ruhe. Kalix übergab sich ausgiebig,
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dann trottete sie an Moonglow ohne einen Blick vorbei. Wieder sah Kalix scheußlich aus. Ihr Haar war von Schweiß verklebt, und auf der Vorderseite ihres T-Shirts sah man Flecken von Erbrochenem. Die junge Werwölfin ging nach unten und holte Wasser aus der Küche, dann wickelte sie sich am Boden in ihre Decke und nippte an ihrer neuen Flasche Laudanum. Sie spürte wieder Panik in sich. Obwohl der Anfall nicht so heftig war wie am Vortag, schwitzte und zitterte sie. Sie nahm noch mehr Laudanum und eine Tablette. Sie spürte, dass Daniel und Moonglow sich in der Nähe herumdrückten, und wünschte, sie würden gehen. Sie war sehr misstrauisch, was ihre Motive anging, und fragte sich, warum die beiden sie aufgefordert hatten zu bleiben. Wenn sie wieder bei Kräften war, beschloss sie, würde sie gehen und nie wieder zurückkommen.
Daniel und Moonglow zogen sich in die Küche zurück, um zu beratschlagen.
»So kann es nicht weitergehen«, flüsterte Moonglow.
»Als Werwölfin isst sie gerne, und wenn sie wieder zum Menschen wird, macht sie das verrückt.«
»Was ist wohl in ihrer Flasche?«
Sie wussten es nicht. Vielleicht Werwolfmedizin. Kalix hütete die Flasche wie ihren Augapfel und ließ niemanden in ihre Nähe.
»Wir müssen wirklich irgendwas machen«, sagte Moonglow. »Vielleicht sollten wir nochmal zu Thrix gehen.«
Daniel war wenig begeistert. Bei ihrem letzten Besuch bei Thrix war die blonde Werwölfin nicht nur sehr feindselig gewesen, sie hatten sich auch noch vor weiteren beängstigenden Werwölfen verstecken müssen.
»Außerdem komme ich mir bei der ganzen Mode und dem Glamour fehl am Platz vor.«
»He, ich
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