Kalix - Die Werwölfin von London
Gesicht, verbiss sich den Unmut aber, so gut er konnte. Mittlerweile bereute Thrix, überhaupt zum Essen gegangen zu sein, obwohl sie einen geschäftlichen Anruf aus New York erwartete.
»Hallo?«
»Hier ist Dominil.«
Die Zauberin war überrascht. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Cousine Dominil sie schon einmal angerufen hätte.
»Ich bin in London. Ich möchte mit dir über etwas reden, aber nicht am Telefon.«
Thrix vereinbarte für den nächsten Tag ein Treffen mit Dominil. Ihre Cousine hielt sich nicht mit dem unnötigen Geplauder auf, das Thrix' Verabredung schon so gestört hatte, aber als sie das Gespräch beendete, war das Hauptgericht kalt geworden und Donald Carver recht ungeduldig.
»Das war meine Cousine.«
»Sie stehen sich wohl alle sehr nah.«
»Das kann man so nicht sagen. Aber Sie kennen das ja, man muss einiges regeln nach dem Begräbnis.« »Begräbnis?«
»Mein Vater. Deshalb war ich in Schottland.«
Donald wirkte geschockt. Thrix verfluchte sich dafür, das erwähnt zu haben.
»Sie haben gerade erst Ihren Vater beerdigt? Das wusste ich nicht. Es tut mir leid, hätte ich das geahnt, hätte ich Sie gar nicht eingeladen.«
»Nein, schon gut. Ich meine .. wenn jemand erst mal tot ist, muss man einfach weitermachen, oder?«
Thrix dachte, das hätte sie auch besser formulieren können. Do 163
nald sah sie befremdlich an. Dann tauchte der Kellner auf und rettete sie aus der Situation. Mittlerweile war Thrix der Appetit gründlich vergangen, trotzdem suchte sie nach einem Dessert, das sie herunterbekommen konnte, um zumindest etwas Begeisterung für das Restaurant und ihren Begleiter zu zeigen. Beim Wein war ihr das immerhin schon gelungen, dachte sie, als sie sich nachschenkte und den Kellner um eine weitere Flasche bat.
Eher verdrießlich betrachtete Thrix die Speisekarte. Als Werwölfin besaß die Zauberin einen gesunden Appetit, aber sie war so an Models und Designer gewöhnt, die alle keine großen Esser waren, dass sie normalerweise keinen kalorienreichen Nachtisch aß.
»Nicht, dass ich mir deswegen Sorgen machen sollte«, sagte Thrix sich. »Ich habe seit Jahren kein Gramm zugenommen.« Trotzdem war ihr bei den Desserts irgendwie unbehaglich zumute. Was, wenn sie doch zunahm? Wenn sie nach New York flog, wollte sie nicht wie ein Pudding aussehen. Sie winkte ab.
»Ich nehme nur einen Kaffee«, sagte sie in einem Ton, der heißen sollte, dass sie zwar auf ihren Nachtisch verzichtete, sich mit Donald aber blendend amüsierte. Sie versuchte, sich auf ihre Unterhaltung zu konzentrieren, aber bei den Gedanken an Malveria, Modespionage, Dominil und ihre Mutter fiel ihr das nicht leicht. Was hatte ihre Mutter damit gemeint, sie hätte bisher keinen passenden Werwolf für sich interessieren können} Seit wann führte ihre Mutter darüber Buch? Thrix merkte, dass Donald ihr etwas erzählte, und richtete ihre Aufmerksamkeit mühsam auf die Gegenwart. Er fragte sie etwas über ihre mögliche Teilnahme an der Schau in New York.
»Das wäre für mich eine großartige Gelegenheit, den Markt -«, setzte Thrix an.
Ihr Handy klingelte. Es war New York. Zum gefühlten fünfzigsten Mal warf Thrix ihrem Begleiter einen entschuldigenden Blick zu. Etwa dreißig Sekunden später war sie so in das Gespräch mit der Organisatorin der Schau vertieft, dass sie ihn völlig vergessen hatte. Wenn Thrix über ihr Geschäft sprach, 164
nahm sie um sich herum nichts mehr wahr. Der Anruf dauerte sehr lange, länger als alle vorherigen zusammen. Als sie das Handy endlich wieder in ihrer Tasche verstaute, fiel ihr auf, dass Donald gelangweilt wirkte.
»Entschuldigung. Habe ich lange telefoniert?«
»Sehr lange«, antwortete Donald recht scharf.
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Die Zauberin bezahlte den Taxifahrer und lief rasch die Stufen zu ihrem Apartmentgebäude hinauf. Der Pförtner ließ sie herein, und sie bedankte sich höflich. Dann fuhr sie im Aufzug nach oben, zusammen mit einem Paar in mittleren Jahren, das gerade aus der Oper kam. Die beiden standen eng beieinander, schweigend, aber voller Zuneigung. Thrix bemühte sich, nicht wie eine Frau auszusehen, die gerade von einer katastrophalen Verabredung kam.
Langsam ging die Zauberin vom Fahrstuhl zu ihrer Wohnung. Als sie gerade den Schlüssel ins Schloss stecken wollte, hielt sie inne, weil sie jemanden spürte. »Malveria?«
Die Feuerkönigin nahm neben ihr Gestalt an. Sie trug ein blassfliederfarbenes Abendkleid, das auf ihrer dunklen Haut atemberaubend
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