Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit
beschloss, ihn gleich nach ihrer Rückkehr suchen zu gehen.
Ein Hase erschien am anderen Ende der Lichtung und hoppelte über die Wiese. Kalla zog einen der kleinen Wurfspeere aus dem Findesack, entschied dann aber, dass das Tier zu weit entfernt war. Im nächsten Moment trat ein Rehkitz auf die Lichtung. Witternd hob es den Kopf und sah sich um. Offenbar bemerkte es eine Gefahr, denn plötzlich wandte es sich wieder zum Wald hin. Zu spät. Ein großer gefleckter Körper flog durch die Luft, so schnell, dass Kalla ihn zunächst nur als flüchtigen Schatten wahrnahm. Es war ein Luchs. Mit lautem Knurren landete er direkt auf dem Reh, schlug ihm die Pranke ins Genick und riss es zu Boden.
Im selben Augenblick ertönte ein schriller Schrei, Flügel rauschten und ein großer schwarzer Raubvogel stürzte herab. Es war der Adler, der zuvor am Himmel gekreist war und sich offenbar ebenfalls das Reh als Beute ausgesucht hatte. Nur einen Wimpernschlag nach der Wildkatze landete er auf dem Reh. Einen Moment lang starrten die beiden Jäger einander verdutzt an. Dann hob der Luchs drohend die Pranke und fauchte den Vogel an. Doch der Adler war keineswegs bereit, auf den Fang zu verzichten. Hoch aufgerichtet versuchte er mit heftigen Flügelschlägen den Rivalen zu verjagen. Der Luchswich zurück. Dann glomm ein grünes Leuchten in seinen Augen auf. Er setzte zum Sprung an und flog dem Vogel an die Kehle. Im nächsten Moment wirbelte ein kreischendes und knurrendes Riesenknäuel von Fell und Federn über die Wiese und verschwand im Gehölz. Kalla hörte noch ein paar schrille Schreie, die zunehmend schwächer wurden, dann trat Stille ein. Sie vermutete, dass der Luchs den Kampf gewonnen und sich über den Vogel hergemacht hatte. Vielleicht hatten sich die beiden Tiere aber auch gegenseitig verletzt, und nun versuchte ein jedes, sich in Sicherheit zu bringen.
Ihr Blick fiel auf das Reh, das reglos auf der Lichtung lag. Blut quoll aus seinem Hals, der Luchs hatte es mit einem einzigen Prankenhieb getötet. Kalla sah sich um. Sicher hatte der Geruch des Blutes schon andere Tiere angelockt, Füchse, Hyänen und weitere Raubtiere, die jetzt irgendwo in den Büschen standen und abwarteten, ob der Luchs zurückkäme.
Aber dieses Reh sollte ihr gehören! Blitzschnell hatte Kalla den Entschluss gefasst. Sein Fleisch war jung und zart und würde köstlich schmecken, und auch für seine Haut fand sich gute Verwendung.
Sie war genau das richtige Geschenk für Olep, der so gut mit den Musikinstrumenten umgehen konnte wie kein Zweiter im Clan. Immer wieder hatte er davon gesprochen, dass er sich eine neue Trommel bauen wolle, und die Rehhaut würde eine passende Bespannung abgeben. Die Reste würden ausreichen für einen Gürtel oder eine Tasche.
Es raschelte, und zwischen den Gräsern tauchten vier hellhaarige Ohren und zwei gefleckte Fellnasen auf. Kalla bückte sich, hob zwei Steine auf, zielte und warf. Gleichdarauf flitzten zwei junge Hyänen über die Lichtung und verschwanden am Bach.
Kalla rannte auf die Wiese, packte das Reh an den Hinterläufen und zerrte es, so schnell sie konnte, zum Bach. Sie keuchte, der schlaffe Körper war schwerer, als sie vermutet hatte. Aber schließlich hatte sie es geschafft. Atemlos sank sie zu Boden. Ein Reh! Sie hatte ein Reh erbeutet. Der Anblick des rohen Fleisches weckte erneut ihren Hunger. Sie erwog, ob sie dem Tier ein Bein abschneiden sollte, um seinen Röhrenknochen auszusaugen. Mark aus Rehbeinknochen war eine ganz besondere Leckerei. Doch den Knochen freizulegen würde zu lange dauern. Der Blutgeruch eines toten Tieres zog immer Raubtiere an, und so war es klüger, die Beute unverzüglich zum Lager zu transportieren. Nur wie? Ein Mann hätte sich die Beute um die Schultern gelegt, doch dafür war Kalla nicht kräftig genug. Sie musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Ihr Blick fiel auf die beiden Holzstöcke, die sie Ferigal bringen wollte. Sie sprang auf, legte die Stöcke nebeneinander ins Gras und holte die Sehnenschnüre aus ihrem Beutel. Dann suchte sie vier kurze Äste und legte sie quer zwischen die Stöcke. Die Enden der Äste wurden an die langen Stöcke geknotet, sodass eine viersprossige Leiter entstand. Zuletzt kam das Schwierigste, nämlich das Reh auf das Stockgestell zu heben. Schwitzend zog und zerrte Kalla an dem toten Körper, bis er endlich der Länge nach auf dem Holzgestänge lag. Dann schnürte sie das Tier so an den Stangen fest, dass es nicht
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