Kalle Blomquist
Perle!
FÜNFTES KAPITEL
Kalle lag auf dem Rücken unter dem Birnbaum. Er wollte denken, und das ging am besten in dieser Stellung.
»Natürlich ist es möglich, daß die Perle schon seit Gustav Vasas Zeiten dagelegen hat, weil irgendein nachlässiges adliges Huhn in den Keller gegangen ist, um eine Flasche Bier zu holen, und dabei seine Perlenkette verloren hat«, sagte Meisterdetektiv Blomquist. »Aber ist das anzunehmen? Wenn man ein kriminalistisches Rätsel lösen soll«, fuhr er fort und drehte sich zur Seite, um seinem eingebildeten Zuhörer in die Augen sehen zu können, »muß man immer mit dem Wahrscheinlichen rechnen. Und« – der Meisterdetektiv hieb mit der Faust hart auf die Erde – »das Wahrscheinliche ist, daß die Perle
nicht
seit Gustav Vasas Zeiten dagelegen hat, denn da hätte sich doch wohl vor mir schon einer gefunden, der die Augen offen gehabt und sie gesehen hätte. Im übrigen, wenn die Perle schon vorgestern bei unserem Besuch vorhanden gewesen wäre, so hätte wohl ein aufgeweckter junger Mann wie ich sie schon gleich entdeckt.
Besonders, da ich den Fußboden ganz genau untersucht habe.
Jaja« – er winkte abwehrend mit der Hand zu seinem eingebildeten Zuhörer hin, der offensichtlich seiner Bewunderung Ausdruck gab –, »es ist reine Routinearbeit, nichts weiter! Was können wir also für einen Schluß daraus ziehen? Mit der aller-größten Wahrscheinlichkeit hat der sogenannte Onkel Einar die Perle bei seinem nächtlichen Besuch in der Schloßruine verloren. Nun, junger Mann, habe ich recht?«
Der eingebildete Zuhörer machte anscheinend keine Einwendungen, denn Meisterdetektiv Blomquist fuhr fort: »Nun ist die Frage: Hat man Onkel Einar, mit einer Perlenkette geschmückt, gesehen? Läuft er, von Perlen und Edelsteinen glitzernd, herum?« Der Meisterdetektiv ließ seine Hand mit einem entscheidenden Schlag auf die Erde fallen. »Gewiß nicht! Deswegen« – er faßte seinen eingebildeten Zuhörer am Rockauf-schlag –, »wenn nun dieser Onkel Einar mit Perlen um sich wirft, so habe ich das Recht, dies als einen verdächtigen Um-stand zu betrachten, nicht wahr?« Man hörte keinen Protest.
»Doch«, fuhr der Meisterdetektiv fort, »gehöre ich nicht zu denen, die jemanden nur auf Grund von Indi… Indizien verurtei-len. Die Sache muß untersucht werden, und ich glaube, behaupten zu können, daß ich der richtige Mann dafür bin.«
Hier brach sein eingebildeter Zuhörer in eine solche Flut von schmeichelhaften Zusicherungen aus. betreffend Herrn Blomquists Fähigkeit, alles herauszukriegen, was immer es auch sein mochte, daß sogar Herr Blomquist fand, es ginge zu weit.
»Na, na, keine Übertreibungen«, sagte er mild. »Der beste Detektiv, den es jemals gegeben hat – das ist doch wohl etwas übertrieben. Lord Peter Wimsey ist ja auch nicht auf den Kopf gefallen.«
Er holte sein Notizbuch hervor. In der Rubrik »Besonders verdächtige Umstände« fügte er hinzu: »Stattet nächtlichen Besuch in der Schloßruine ab. Verliert Perlen.«
Er las, sehr zufrieden, alles durch, was er über Onkel Einar geschrieben hatte. Nun gab es nur noch etwas hier im Leben, was er sich wünschte: Onkel Einars Fingerabdruck! Er hatte es den ganzen Vormittag versucht, indem er stundenlang um sein Opfer herumgeschlichen war. Er hatte das kleine Stempelkissen, das zu seiner Druckerei gehörte, auf die durchtriebenste Weise hingestellt, in der Hoffnung, daß Onkel Einar aus Versehen seinen Daumen erst auf das Stempelkissen und dann auf ein geeignetes Papier setzen würde. Aber merkwürdigerweise war Onkel Einar nicht in die Falle gegangen.
»Raffiniert, natürlich!« schnaubte Kalle. »Es bleibt wahrscheinlich gar nichts anderes übrig, als ihn zu chloroformieren und seinen Fingerabdruck zu nehmen, während er bewußtlos ist.«
»Und hier liegst du, du Rindvieh, und die Vorstellung soll in einer Viertelstunde anfangen!«
Anders hing über dem Zaun und warf grimmige Blicke auf den voll Behagen ruhenden Kalle. Kalle fuhr in die Höhe. Es war nicht leicht, sowohl Detektiv als auch Zirkuskünstler zu sein. Er kroch durch die Zaunöffnung und fiel an Anders’ Seite in Laufschritt.
»Sind Leute gekommen?« keuchte er.
»Und ob! Jeder Sitzplatz ist besetzt!«
»Da sind wir wohl beinahe reich?«
»Achtfünfzig«, sagte Anders. »Aber du hättest Eva-Lotte beim Billettverkauf ablösen sollen, anstatt wie ein Pascha auf dem Rasen zu liegen.« Sie rannten die Treppe zum Bäckereiboden hinauf. Da
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