Kalle Blomquist
Nächte hindurch zum Fenster hinaus- und hineinzuklettern, wenn er Lust dazu hatte.
Es war nicht einmal verboten, einen Dietrich zu haben. Nein, die Polizei würde ihn bloß auslachen!
Im übrigen – wo war Onkel Einar? Kalle konnte ihn nirgends entdecken. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Na, da brauchte er sich keine Sorgen mehr zu machen. Aber es ärgerte ihn furchtbar, daß er die Spur verloren hatte. Selbst wenn er sich mit Onkel Einar nicht in offenen Kampf begeben wollte, so gehörte es natürlich zu seinen Pflichten als Detektiv, ihm nach-zugehen und zu erkunden, was er vorhatte. Ein stiller, unbemerkter Zeuge, der später einmal vortreten und sagen konnte:
»Herr Richter! In der Nacht zum 20. Juni kletterte der Mann, den wir jetzt auf der Anklagebank sehen, durch ein Fenster im obersten Stockwerk des Hauses von Bäckermeister Lisander hier in der Stadt, stieg die Feuerleiter hinunter, ging zu einem im Garten des gleichen Bäckermeisters gelegenen Geräteschuppen, und danach …« Ja, das war es gerade! Was machte er danach? Darüber würde Kalle niemals etwas berichten können.
Onkel Einar blieb verschwunden.
Kalle machte sich mißmutig auf den Heimweg. An einer Straßenecke stand Schutzmann Björk.
»Was machst du denn hier draußen mitten in der Nacht?« fragte er.
»Haben Sie einen Mann hier vorbeigehen sehen, Onkel Björk?« unterbrach Kalle ihn eifrig.
»Einen Mann? Nein, hier war außer dir kein Mensch zu sehen. Geh eiligst nach Hause und ins Bett. Das würde ich auch tun, wenn ich dürfte!«
Kalle ging. Kein Mann war zu sehen gewesen! Nein, man wußte ja, wieviel die Polizisten sahen! Eine ganze Fußballmann-schaft konnte vorbeikommen, ohne daß sie es merkten! Obwohl Kalle ja gern bei Schutzmann Björk eine Ausnahme machen wollte. Er war sicher besser als andere Polizisten. Aber – »geh nach Hause und ins Bett« hatte er gesagt! Ja, das wäre gerade das richtige! Der einzige, der wirklich die Augen offen hatte, wurde öffentlich von der Polizei ermahnt, ins Bett zu gehen!
Kein Wunder, daß es so viele unaufgeklärte Verbrechen gab!
Aber es schien tatsächlich nichts anderes möglich zu sein, als nach Hause und ins Bett zu gehen. Und das tat Kalle dann auch.
Am nächsten Tag wurden die Proben im Zirkus Kalottan fortgesetzt.
»Ist Onkel Einar schon aufgestanden?« fragte Kalle Eva-Lotte.
»Weiß nicht. Und ich frage auch nicht danach. Aber ich hoffe, daß er den ganzen Vormittag schläft, damit Tusse ihre verhed-derten Nerven wieder aufwickeln kann.«
Es dauerte jedoch nicht lange, bis Onkel Einar erschien. Er hatte eine große Tüte Schokoladenkonfekt mit, die er Eva-Lotte zuwarf.
»Die Zirkusprimadonna braucht vielleicht etwas zur Stärkung!«
Eva-Lotte kämpfte einen harten Kampf mit sich. Sie liebte Schokoladenkonfekt, ganz gewiß, aber die Loyalität mit Tusse verlangte ja, die Tüte mit einem gemessenen »nein, danke« zurückzuwerfen. Sie wog die Tüte in der Hand, und dieses Gemessene wollte so schwer herauskommen. Wie wäre es, wenn sie ein Stück kostete und dann die Tüte zurückwarf? Und dann Tusse einen Fisch gab? Nein, das war kein guter Gedanke. Aber nun hatte sie so lange gezögert, daß die Gelegenheit, eine große Geste zu machen, bereits versäumt war. Onkel Einar ging auf den Händen, und einem Menschen in dieser Stellung eine Tüte Konfekt zurückzugeben, gehört nicht gerade zu den leichtesten Dingen.
Eva-Lotte behielt die Tüte – sie wußte wohl, daß sie als Versöhnungsversuch gedacht war. Sie beschloß, Tusse zwei Fische zu geben und in Zukunft Onkel Einar höflich, aber kalt zu be-handeln.
»Bin ich nicht tüchtig?« fragte Onkel Einar, als er wieder auf die Füße gekommen war. »Kann ich nicht auch eine Anstellung beim Zirkus Kalottan bekommen?«
»Nein, Erwachsene dürfen nicht dabeisein«, sagte Anders in seiner Eigenschaft als Zirkusdirektor.
»Nirgends finde ich Verständnis«, seufzte Onkel Einar.
»Was sagst du, Kalle, findest du nicht, daß ich hart behandelt werde?«
Aber Kalle hörte nicht, was er sagte. Er starrte wie fasziniert auf einen Gegenstand, der aus Onkel Einars Tasche gefallen war, als er auf den Händen lief. Der Dietrich! Da lag er im Gras
– Kalle hätte ihn nehmen können … Er nahm sich zusammen.
»Hart behandelt – wieso denn?« fragte er und setzte seinen Fuß auf den Dietrich.
»Ich darf ja nicht mitspielen«, klagte Onkel Einar.
»Ätsch«, sagte Eva-Lotte.
Kalle war froh, daß die Aufmerksamkeit von ihm
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