Kalle Blomquist
mit einer tiefen Verbeugung Eva-Lotte. Der Rest des Programms stand nicht ganz auf dem gleichen hohen Niveau, aber die Clownnummer glückte sehr, ebenso Eva-Lottes Lied. Eigentlich wurden ja sonst in einem Zirkus keine Lieder vorgetragen, aber es war nötig, um das Programm auszufüllen, und Eva-Lotte hatte es selbst ge-dichtet. Es handelte meistens von Onkel Einar.
»Aber nein, Eva-Lotte«, sagte ihre Mutter, nachdem sie fertig war, »man darf doch nicht so anzüglich älteren Menschen gegenüber sein.«
»Doch, gegen Onkel Einar ja!«
Da lachte Onkel Einar sein wieherndes Lachen und brach einen neuen Fliederzweig für Eva-Lotte ab.
»Laß meinen Flieder in Ruhe!« brummte der Bäckermeister.
Nach Schluß der Vorstellung lud Frau Lisander zum Kaffee in der Laube ein. Lebensmittelhändler Blomquist und Bäckermeister Lisander saßen oft des Abends in der Laube und sprachen über Politik. Mitunter erzählten sie auch Geschichten, und dann setzten sich Eva-Lotte und Kalle und Anders mit hin und hörten zu.
»Wirklich, ich glaube wahrhaftig, daß heute alle Kaffeetassen Ohren haben«, sagte der Bäckermeister. »Da wird wohl bald die Welt untergehen. Wie ist das mit dir, Miachen«, fragte er mit einem freundlichen Blick auf seine Frau, »hast du heute so viel zu tun gehabt, daß du keine Zeit hattest, ein paar Kaffeetassen zu zerhauen?«
Frau Lisander lachte unbekümmert und bot Frau Blomquist Napfkuchen an. Der Bäckermeister ließ seine üppige Gestalt auf einen Gartenstuhl sinken und warf einen forschenden Blick auf den Vetter seiner Frau.
»Wird es nicht langweilig, so umherzugehen und nichts zu tun?« fragte er.
»Ich beklage mich nicht«, sagte Onkel Einar. »Ohne Arbeit kann ich es aushalten Ich möchte nur wünschen, ich könnte besser schlafen.«
»Du kannst ein Schlafpulver von mir bekommen«, sagte Frau Lisander. »Ich habe noch welche übrig von denen, die der Arzt mir gab, als ich Schmerzen im Arm hatte.«
»Ich möchte wissen, ob Arbeit nicht besser wäre als Schlafpulver«, sagte der Bäckermeister. »Steh morgen früh um vier auf und hilf mir, die Brote auszubacken, dann garantiere ich dir, daß du die nächste Nacht schläfst.«
»Danke, ich ziehe Schlafpulver vor«, sagte Onkel Einar.
Meisterdetektiv Blomquist, der neben seiner Mutter an der anderen Seite des Tisches saß, dachte für sich: »Eine gute Art, wenn man schlafen will, ist, ruhig in seinem Bett zu liegen.
Wenn man die ganze Nacht umherwandert, dann ist es ja wohl kein Wunder, daß man kein Auge zumachen kann. Aber wenn er ein Schlafpulver bekommt, dann wird er schon eindösen.«
Anders und Eva-Lotte waren fertig mit Kaffeetrinken. Sie setzten sich auf den Rasen vor der Laube und bliesen auf Gras-halmen, sehr zufrieden mit den fürchterlichen Tönen, die her-auskamen. Kalle wollte sich gerade zu ihnen setzen. Er wußte, daß die Töne, die er selbst mit Hilfe eines Grashalmes hervor-bringen konnte, das meiste in dieser Richtung übertrafen. Aber gerade da bekam er den Gedanken! Den strahlenden und genia-len Gedanken, eines Meisterdetektivs würdig!
Er nickte bestätigend. Ja, ja, gerade so mußte es geschehen!
Er sprang auf, riß einen Grashalm ab und blies eine gellende und triumphierende Fanfare.
SECHSTES KAPITEL
Natürlich war die Sache nicht ohne Risiko. Aber ein Detektiv muß etwas wagen. Will er das nicht, dann kann er sich ebensogut den Detektivberuf aus dem Sinn schlagen und sich als Wurstverkäufer oder sonstwas etablieren. Kalle hatte keine Furcht. Aber spannend war es, mächtig spannend.
Er hatte seinen Wecker auf zwei Uhr gestellt. Zwei Uhr war ein geeigneter Zeitpunkt. Wie lange dauerte es, bis ein Schlafpulver wirkte? Kalle wußte es nicht genau. Aber sicher würde Onkel Einar um zwei Uhr wie ein Murmeltier schlafen, Kalle konnte sich nichts anderes vorstellen. Und da sollte es passieren! Denn wenn man endlich eine »mystische Person« gefunden hat, muß man den Fingerabdruck der »Person« haben.
Personalbeschreibung und Muttermal und all das ist sicher gut, aber nichts kommt an einen ehrlichen Fingerabdruck heran.
Kalle warf einen letzten Blick aus dem Fenster, bevor er ins Bett kroch. Die weißen Gardinen des gegenüberliegenden Fensters blähten sich leise im Abendwind. Da drinnen war Onkel Einar. Vielleicht nahm er eben das Schlafpulver und legte sich ins Bett. Kalle rieb sich vor Spannung die Hände. Das würde keine schwere Sache werden. Viele, viele Male hatten Eva-Lotte und er und Anders diese
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