Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
stand Eva-Lotte und schaute durch den Spalt zwischen den geschlossenen Luken hindurch.
    »Volles Haus«, sagte sie.
    Kalle ging nach vorn und sah auch hinunter. Da saßen alle Kinder des Viertels und auch ein ganz Teil andere. Auf der ersten Bank thronte Onkel Einar. An seiner Seite saßen Bäckermeister Lisander und seine Frau, und auf der zweiten Bank sah Kalle seinen Vater und seine Mutter.
    »Ich bin so nervös, daß die Beine unter mir nachgeben«, wimmerte Eva-Lotte. »Bereitet euch darauf vor, daß ich euch bei der Akrobatennummer auf den Kopf falle. Und das Brotwagenpferd ist schlechter Laune, so daß ich auch für meine Pfer-dedressur das Schlimmste fürchte.«
    »Blamier uns nicht, das sage ich dir«, sagte Anders.
    »Das Spiel kann beginnen!« rief Onkel Einar ungeduldig.
    »Das bestimmen wohl wir, denke ich«, sagte der Zirkusdirektor brummig zu seinen Mithelfern. Aber er setzte jedenfalls seinen hohen Hut oder vielmehr Bäckermeister Lisanders hohen Hut auf, öffnete die Luke, nahm das Seil und schwang sich in die Arena hinunter. Eva-Lotte stieß einen schrillen Trompeten-stoß aus, und das Publikum applaudierte wohlwollend.
    Währenddessen hatte Kalle sich die Treppe hinuntergeschlichen und das Brotwagenpferd geholt, das an einem Baum angebunden war. Vor den angenehm überraschten Blicken des Publikums führte er das Tier zwischen den Zuschauerbänken herein. Der Zirkusdirektor nahm seinen Hut ab, verbeugte sich höflich, ergriff eine Peitsche, die an der Bäckereiwand gelehnt hatte, und knallte damit. Sowohl er wie das Publikum erwarteten, daß das Pferd nun einen raschen Trab um die Arena herum machen würde, aber es war nicht in der Stimmung dazu. Es glotzte nur einfältig das Publikum an. Der Zirkusdirektor knallte noch einmal mit der Peitsche und flüsterte, deutlich hörbar für das Publikum: »Los, du dummes Vieh!«
    Da beugte sich das Pferd herunter und fraß einige Grashalme, die aus den Sägespänen hervorschauten. Vom Bäckereiboden hörte man ein lustiges Kichern. Es war die auf ihren Auftritt wartende Kunstreiterin, die ihre Fröhlichkeit nicht beherrschen konnte. Auch das Publikum amüsierte sich, besonders Onkel Einar und Eva-Lottes Mutter.
    In diesem Augenblick griff der Stallknecht Kalle ein. Er nahm das Pferd am Zaum und führte es ganz einfach zur Luke hin. Eva-Lotte nahm das Seil und machte sich zu einem entscheidenden Sprung auf den Pferderücken bereit. Aber da kam das Pferd in Fahrt. Es machte einen Sprung, der einem richtigen Zirkuspferd Ehre gemacht hätte, und als Eva-Lotte am Seil heruntergerutscht war, war kein Pferderücken zum Landen da.
    Sie blieb an der Leine hängen, kläglich mit den Beinen zap-pelnd, bis es Anders und Kalle gelungen war, das Pferd zurück-zuholen. Eva-Lotte glitt auf seinen Rücken hinunter, warf dem Publikum Handküsse zu und versuchte, so auszusehen, als ob ihr Beineschlenkern die einzig richtige Art aufzutreten für eine Zirkusprimadonna wäre. Anders knallte mit der Peitsche, und das Pferd trottete artig in der Arena herum. Eva-Lotte klemmte ihre beiden nackten Fersen in seine Seiten, um es etwas feuriger zu machen, aber vergebens.
    »Schaf«, schnaubte Eva-Lotte.
    Aber es war auch für mündliches überreden nicht empfänglich. Es war so gedacht gewesen, daß das Pferd in der Arena herumgaloppieren und durch seine lebhaften Sprünge das Urteil des Publikums irreführen sollte, so daß man nicht merkte, daß die Kunststücke, die Eva-Lotte auf dem Pferderücken ausführte, ziemlich einfach waren. Aber da das Pferd sich weigerte, einen wirklich herzhaften Einsatz zu machen, war es unvermeidlich, daß die ganze Nummer etwas lahm wirkte.
    »Und dem hat man nun jahrelang Hafer gegeben«, dachte Eva-Lotte bitter.
    Zuletzt knallte indessen der wütende Zirkusdirektor einen Peitschenhieb direkt unter die Nase des Brotwagenpferdes hin, so daß es sich vor Schreck auf die Hinterbeine stellte. Das gab der Nummer einen höchst dramatischen Abschluß und erhöhte den Gesamteindruck bedeutend.
    »Aber wenn die Akrobatennummer auch mißlingt«, sagte Anders hinterher oben auf dem Boden, »dann müssen wir das Eintrittsgeld zurückzahlen. Ein Zirkuspferd, das sich hinstellt und zu weiden anfängt, das ist unanständig! Jetzt fehlt bloß noch, daß Eva-Lotte während der Akrobatennummer Schnecken ißt.«

    Aber das tat Eva-Lotte nicht, und »Die drei Desperados« hatten einen strahlenden Erfolg. Onkel Einar brach einen weißen Fliederzweig ab und überreichte ihn

Weitere Kostenlose Bücher