Kalle Blomquist
Einar.
Es gelang Anders, wenn auch mit etwas Mühe, den Strick aufzubinden, mit dem Onkel Einars Arme festgeschnürt waren.
Als der Strick gelockert war, schienen die Schmerzen noch stärker zu sein als vorher, denn Onkel Einar saß eine ganze Weile da und wiegte seinen Oberkörper hin und her, indem er laut jammerte.
»Wie lange hast du hier so gelegen?« fragte Eva-Lotte, und ihre Stimme zitterte.
»Seit gestern abend, meine schöne junge Dame«, sagte Onkel Einar. »Und das dank eurer Einmischung.«
»Ja, das ist unangenehm«, sagte Kalle. »Entschuldige, bitte, aber jetzt müssen wir die Polizei holen!«
»Könnten wir nicht über die Sache reden?« fragte Onkel Einar. »Wie zum Teufel habt ihr es übrigens fertiggebracht, die Sache hier herauszuschnüffeln? Ganz gleich, wie, aber es ist klar, daß ihr es seid, die die Juwelen genommen haben, und es ist vor allen Dingen das wichtigste, daß sie wieder zum Vorschein kommen. Herr Meisterdetektiv, könnten Sie nicht einen armen Sünder um unserer alten Freundschaft willen loslassen?«
Die Kinder standen stumm da.
Onkel Einar wandte sich an Eva-Lotte. »Du willst doch nicht, daß einer aus der Familie im Gefängnis landet?«
»Wenn man etwas verbrochen hat, dann muß man auch seine Strafe haben«, sagte Eva-Lotte.
»Das einzige, was wir machen können, ist, die Polizei zu holen. Willst du gehen, Anders?«
»Ja«, sagte Anders.
»Verdammte Gören!« schrie Onkel Einar. »Hätte ich euch bloß die Hälse umgedreht, solange noch Zeit war!«
Anders nahm die Treppe in ein paar Sprüngen. Und jetzt schnell durch die Tür! Aber da stand jemand im Wege. Zwei waren es, die da standen und den Türeingang versperrten. Der eine, der mit dem blassen Gesicht, hielt einen Revolver in der Hand.
DREIZEHNTES KAPITEL
»Ich glaube, wir kommen mitten in eine Familienfestlichkeit rein!« Der Blasse lachte. »Der Kinderfreund Einar im Kreise seiner Lieben! Das ist so reizend, daß man es fotografieren und in die Zeitung setzen sollte. Mißversteh mich nicht, lieber Einar, ich meine nicht unter Polizeinachrichten. Es gibt ja andere Veröffentlichungen!«
Er machte eine Pause und betrachtete seinen Revolver.
»Wie schade, daß wir gestört haben«, fuhr er fort. »Wenn wir noch etwas gewartet hätten, so wärst du bald durch deine kleinen Freunde befreit worden, und dann wäre es dir vielleicht etwas leichter als gestern abend gefallen, den Kram zu finden.«
»Artur, hör mich an!« sagte Onkel Einar. »Ich schwöre, daß …«
»Das hast du gestern abend genügend getan«, unterbrach ihn der Blasse. »Wenn du Lust bekommst, zu sagen, wo du das Zeug versteckt hast, dann kannst du den Mund aufmachen. Bis dahin – halt’s Maul. Und bis dahin wirst du wie eine Weinfla-sche liegend aufbewahrt. Ich hoffe, deine kleinen Freunde haben nichts dagegen, daß ich dir die Arme wieder festbinde? Und du bist wohl nicht allzu hungrig und durstig, alter Junge? Denn ich kann dir leider nichts anderes geben als dieses Taschentuch, an dem du bis auf weiteres kauen kannst. Bis du Vernunft angenommen hast!«
»Artur«, rief Onkel Einar ganz verzweifelt, »du
mußt
mich anhören! Weißt du, wer es an sich genommen hat? Ja, diese Brut hier hat es!« Er zeigte auf die Kinder. »Und sie waren gerade dabei, die Polizei zu holen, als ihr reinkamt. Himmel, ich hab’ niemals gedacht, daß ich mich mal freuen würde, dich und Tjomme zu sehen! Aber gerade jetzt kommt ihr wie gerufen.«
Es blieb eine Weile still. Das blasse Gesicht mit den unsteten Augen wandte sich den Kindern zu. Kalle bekam das Gefühl einer bevorstehenden unerhörten Gefahr. Das war etwas anderes und viel Unheimlicheres als das damals, da er vor Onkel Einars Revolver stand.
Der Unangenehme, der, der Tjomme genannt wurde, brach das Schweigen. »Vielleicht sagt er ausnahmsweise doch mal die Wahrheit, Artur!«
»Das ist möglich«, antwortete Artur »Das werden wir bald heraushaben.«
»Laß mich mit den Bälgern reden«, sagte Onkel Einar. »Ich werde schon aus ihnen rauspressen, was wir wissen wollen.«
Anders, Kalle und Eva-Lotte wurden eine Spur blasser. Kalle hatte recht gehabt, das hier war etwas anderes als der Krieg der Rosen.
»Artur«, sagte Onkel Einar, »wenn du endlich eingesehen hast, daß ich nicht mehr versuche, euch hinters Licht zu führen, dann siehst du wohl auch ein, daß wir jetzt mehr als je zusam-menhalten müssen. Schneide das hier auf« – er zeigte auf den Strick um seine Beine –, »und laß uns
Weitere Kostenlose Bücher