Kalle Blomquist
festzustellen, wie zwecklos ein Versuch sein würde.
Kalle beugte sich hinunter, um etwas aufzuheben, was neben der Treppe lag. Es war Onkel Einars Taschenlampe. Die hatte er vergessen – was für ein Glück! Bald würde es Nacht werden, dunkle, kalte Nacht – es war ein Trost, zu wissen, daß man die Dunkelheit für ein paar Augenblicke vertreiben konnte, wenn man wollte. Eine Batterie reichte ja nicht ewig, aber man konnte wenigstens leuchten, um zu sehen, wie spät es schon war.
Nicht, daß es irgendeine Bedeutung hatte, ob es drei oder vier oder fünf war – bald würde nichts mehr etwas bedeuten. Kalle fühlte eine dumpfe Verzweiflung in sich aufsteigen. Er wanderte umher, »ein Raub düsterer Gedanken«, wie es immer in Büchern steht. Alles war besser, als dazusitzen und zu warten. Alles war besser. Es wäre sogar besser, zu versuchen, die dunklen Irrgänge zu erforschen, die in die inneren Regionen des Kellers führten.
»Anders, du hast einmal gesagt, du wolltest den ganzen Keller durchforschen und kartographieren und wir könnten ihn zu unserem Hauptquartier machen. Warum nicht jetzt die Gelegenheit wahrnehmen?«
»Habe ich wirklich so was Dummes gesagt? Ich muß wohl an dem Tag einen Sonnenstich gehabt haben. Wenn ich hier bloß rauskommen könnte, dann weiß ich einen, der niemals mehr seinen Fuß in die Nähe dieser alten Bruchruine setzt!«
»Ich möchte aber doch wissen, wo diese Gänge hier hinführen«, sagte Kalle. »Vielleicht ist es nicht ausgeschlossen, daß es noch einen anderen Ausgang gibt, den niemand kennt!«
»Ja, und es ist nicht ausgeschlossen, daß eine Versammlung von Archäologen heute nachmittag kommt und uns ausgräbt!
Das ist genauso wahrscheinlich.«
Eva-Lotte sprang auf. »Ja, aber wenn wir hier stillsitzen, dann werden wir bald verrückt«, sagte sie. »Ich finde, wir sollten tun, was Kalle sagt. Die Taschenlampe haben wir ja, mit der wir uns vorwärts leuchten können.«
»Meinetwegen gern«, sagte Anders. »Aber wollen wir nicht erst essen? Drei Brötchen sind in jedem Fall nur drei Brötchen, ganz gleich, wie wir es machen.«
Eva-Lotte gab jedem ein Brötchen, und alle drei aßen schweigend. Es war ein eigentümliches und unheimliches Gefühl, zu denken, daß es vielleicht das letzte Mal in ihrem Leben war, daß sie etwas aßen. Sie spülten die Brötchen mit dem Wasser hinunter, das noch in der Kelle war. Dann faßten sie einander an den Händen und traten den Weg ins Dunkel an. Kalle ging voran und leuchtete mit der Taschenlampe.
Genau im selben Augenblick bremste ein Auto vor der Polizeiwache der kleinen Stadt. Zwei Männer sprangen heraus, zwei Polizisten. Sie gingen eilig hinein, wo sie von Schutzmann Björk empfangen wurden. Er sah etwas erstaunt aus über den unerwarteten Besuch. Die zwei Männer stellten sich vor: »Kriminal-kommissar Stenberg, Kriminalpolizist Santesson von der Stockholmer Kriminalpolizei.«
Dann sagte der Kriminalkommissar schnell: »Kennen Sie hier in der Stadt einen Privatdetektiv mit Namen Blomquist?«
»Privatdetektiv Blomquist?« Schutzmann Björk schüttelt den Kopf. »Habe ich nie gehört!«
»Das ist merkwürdig«, fuhr der Kriminalkommissar fort. »Er wohnt Hauptstraße 14. Sehen Sie selbst!«
Der Kriminalkommissar zog einen Brief hervor, den er Björk reichte. Wenn Kalle dabeigewesen wäre, hätte er den Brief wiedererkannt. »An die Kriminalpolizei Stockholm« stand zuoberst. Und die Unterschrift war ganz richtig »Karl Blomquist, Privatdetektiv«.
Schutzmann Björk fing an zu lachen. »Das kann niemand anderes sein als mein Freund Kalle Blomquist. Privatdetektiv, ja, ich danke! Er ist ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt, der Privatdetektiv!«
»Aber Menschenskind, wie können Sie es erklären, daß er uns einen Fingerabdruck schicken konnte, der genau mit dem übereinstimmt, den wir nach dem Einbruch in der Banérstraße Anfang Juni festgestellt haben? Der große Juwelendiebstahl, Sie wissen doch! Und wem gehört dieser Fingerabdruck? Das ist das, was die Stockholmer Kriminalpolizei vor allen Dingen gerade jetzt wissen möchte. Das ist nämlich der einzige Anhaltspunkt, den wir haben.
Wir sind uns vollkommen darüber klar, daß es mehrere Personen gewesen sein müssen, die den schweren Geldschrank fortrücken konnten, aber nur einer hat Fingerabdrücke hinterlassen. Die anderen haben offenbar Handschuhe angehabt.«
Schutzmann Björk fing an nachzudenken. Er erinnerte sich an Kalles vorsichtige Fragen, als sie
Weitere Kostenlose Bücher